Abenteuer abseits der Straße, dazu Tour-Pass-Klassiker

Pyrenäen: Auf dem Gravelbike vom Atlantik zum Mittelmeer

Von Gunnar Fehlau

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| Foto: pd-f

16.03.2018  |  Abenteuer abseits der Straße erleben, aber dennoch die Tour-de-France-Klassiker erklimmen: Diesen Hintergedanken hatte "pressedienst-fahrrad"-Chef Gunnar Fehlau, als er seine Radreise quer durch die Pyrenäen plante. Reisebegleiter waren sein Buddy Walter, und zwei Gravelbikes. Eine Reportage über einzigartige Natur, Abgeschiedenheit, legendäre Berge und Schmuggler-Routen.

Flughafen Biarritz, Frankreich, Sperrgepäckausgabe: "Ob unsere Räder den Umstieg in Madrid gut überstanden haben?“, frage ich mich. Walter, mein Buddy, mit dem ich seit Jahren meine Touren mache, hat sein Salsa wenig später ohne Schadensmeldung aufgebaut. Kaum 15 Minuten danach ist auch mein Nicolai startklar.

Wir rollen zum Hafen und stecken die Füsse in den Atlantik,
schließlich ist das Motto unserer Tour: Vom Atlantik zum Mittelmeer, ganz im Geist der alten Tour-de-France-Heroen. Wir wollen nicht nur die mythischen Straßenpässe fahren, sondern auch auf Schotterpisten abseits des Verkehrs unterwegs sein.

Neudeutsch heißt das „Gravel“. Aber schaut man sich die Fotos aus den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts an, da waren 40 Millimeter breite Reifen quasi Standard am Rennrad. Viele Pässe waren steinige Naturpisten und keine asphaltierten Kuschelkurse.

Mit diesen Bildern im Kopf pedalieren wir ostwärts.
Es ist weitgehend flach, aber der Spätsommer macht die Fahrt dennoch ein wenig beschwerlich: Wir werden in der Mittagssonne gegrillt. Auch wenn wir nur spartanische Ausrüstung dabei haben, läppern sich die Kilos zusammen: Schlafzeug, Koch-Utensilien, Werkzeug, Ersatzteile usw. machen aus den Gravelbikes doch eher behäbige Boliden.

Als wir am späten Nachmittag nach Mauléon-Licharre einfahren, schauen wir uns um - und anschließend an: Das Städtchen liegt tief eingeschnitten im Tal. Abseits der Hauptstraße und ihrer anliegenden Bebauung finden sich kaum Ebenen, auf denen man seinen Schlafsack ausrollen könnte. Ganz zu schweigen davon, dass es hier recht belebt ist. Erst einmal im Supermarkt Proviant besorgen.

Wir verlassen den Ort südwärts Richtung Libarrenx,
passieren einen wenig einladend wirkenden Campingplatz, um schließlich auf der von Feldern flankierten Hauptstraße weiterzufahren. Zwei Augenpaare scannen die Landschaft: Eben, abgeschieden und sauber soll der Übernachtungs-Spot sein. Walter weist auf einen schmalen Weg, der rechts zwischen den Feldern in einem Wäldchen verschwindet.

Wir steuern hinein. Der Weg verengt sich zum Trampelpfad und öffnet sich anschließend zu einer Wiese. Links begrenzt von einem Maisfeld, rechts von einem Flüsschen. Es liegt sogar ein wenig Bruchholz fürs Lagerfeuer parat. Noch vor fünf Minuten wussten wir nicht, ob wir einen Platz für die Nacht finden, jetzt prosten wir uns an einem perfekten Spot zu und leeren unsere Ortlieb-Taschen aus: Mit wenigen Handgriffen haben wir uns für die Übernachtung vorbereitet.

Zweiter Tag, erster Pass: der Col de Marie-Blanque.
Der Anstieg ist nicht nur eine Feuertaufe für uns, sondern auch für die Technik. Zum ersten Mal fahre ich mit einem Renner ohne Umwerfer. Ich habe elf Gänge: Vorne ein 38er-Blatt und am Heck eine Sram-Kassette mit 10 bis 42 Zähnen. Wird die Übersetzung für die teils steilen Rampen in den Bergen reichen?

Ich habe bergauf reichlich Zeit, mir dazu Gedanken zu machen, denn ich kurble bereits seit etlichen Höhenmetern im ersten Gang. „Ganz lässig eigentlich“, denke ich mir, während ich einen Buckel in einer Rechtskurve nehme und ein wenig überraschend bereits das Pass-Schild auf 1035 Metern über Null hinter mir lasse.

Talwärts klicke ich fix aufs kleinste Ritzel.
Jenseits der 50-km/h-Grenze wird das Mittreten ungemütlich. Ich schalte von Renn- auf Genuss-Modus und rolle der Talsohle entgegen. Die 40 Millimeter breiten G-One-Gravel-Reifen haben reichlich Traktions- und Komfort-Reserven selbst auf schlechten Asphalt-Passagen. Kurz: Das Nicolai fährt wie auf Schienen und ich widme ich mich der grandiosen Aussicht.

Der Col d'Aubisque (1709 m) erhebt sich als erster „echter Pass“ mit mythenreichem Nimbus vor uns. Seine Position sorgt dafür, dass der Aubisque noch unter dem Einfluss des Atlantik-Wetters steht. Plötzliche Wetterumschwünge sind hier keine Seltenheit. Uns sollte es auch erwischen: Auf den letzten 200 Höhenmetern vor der Passhöhe ziehen sich die Wolken zu. Es wird richtig dunkel.

Sekunden später prasselt es los, eine Matsche
zwischen Regen und Schnee. Es geht ein paar Höhenmeter hinunter. Wir kühlen fürchterlich aus, bevor wir in den Gegenanstieg zum Col du Soulor kommen. Die Beine sind schwer, die Füße nass und der Magen leer. Es werden zähe Höhenmeter, bis wir den Pass auf 1474 Metern erreichen. Jetzt heißt es wind- und wetterfest anziehen für die tausend Höhenmeter Abfahrt ins Tal.

Bei dieser nassen Witterung bin ich froh, mit Scheibenbremsen unterwegs zu sein: Selbst mit kalten Händen kann ich jederzeit punktiert volle Bremsleistung entfalten. Dennoch, so recht Spaß will nicht aufkommen. Das Wetter soll schlecht bleiben. Die Lust auf Biwak ist am Nullpunkt und wir entschließen uns, im nächsten Dorf in einem Hotel einzuchecken.

Wir haben unseren Berg-Rhythmus gefunden:
Col du Tourmalet (2115 m), Col d'Aspin (1489 m), Col d'Azet (1580 m), das Flugfeld von Peyragudes (1580 m) und der Col de Peyresourde (1563 m) haben wir in den letzten Tagen gemeistert und haben so die Hälfte der Tour bereits erledigt.

Unsere Räder errregen Aufsehen, und manchmal für Unverständnis: Die Rennradfahrer schütteln über die breiten Reifen, Scheibenbremsen und Bikepacking-Taschen die Köpfe, klassischen Touren-Radlern ist unser Setup zu spartanisch und sportlich. Auch bei der Reisegeschwindigkeit sitzen wir zwischen Stühlen: Die gepäckfreien Rennradler fahren uns bergauf aus den Schuhen, den Touren-Bikern entkommen wir mit unserer Wendigkeit.

Die Allwege-Tauglichkeit sorgt dabei aber für manch
zusätzliches Abenteuer. In Viella biegen wir von der Straße auf einen kleinen Feldweg, der dem Fluß Garonne folgt. Ein Wäldchen trennt uns von der lauten Hauptstraße. Das ist ganz lauschig, aber ein Platz für einen Biwak findet sich nicht. Hungrig und von über 3000 Höhenmetern auch reichlich platt folgen wir nahe der Schrittgeschwindigkeit den leichten Kurven des Waldwegs.

Was Gunnar und Walter hinter der nächsten Kurve erlebt haben, lesen Sie morgen in Teil zwei der Reportage.

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