Erster Weltmeister-Sieg in Roubaix seit Hinault 1981

Sagan holt sich im Boonen-Stil seinen Pflasterstein

Von Eric Gutglück

Foto zu dem Text "Sagan holt sich im Boonen-Stil seinen Pflasterstein"
Peter Sagan (Bora-hansgrohe) reckt nach seinem Sieg bei Paris - Roubaix den Pflasterstein in die Höhe. | Foto: Cor Vos

08.04.2018  |  (rsn) - Peter Sagan (Bora-hansgrohe) reckte im Velodrom von Roubaix seine Rennmaschine in die Höhe, nahm den Helm ab und verneigte sich vor den Zuschauern. Der Weltmeister feierte nach 257 Kilometern, davon 54,5 über Kopfsteinpflaster, seinen ersten Sieg bei der "Königin der Klassiker" und verwies im Zweiersprint den Schweizer Meister Silvan Dillier (AG2R) als letzten Verbliebenen der Ausreißergruppe auf den zweiten Rang. Zuletzt hatte Bernard Hinault 1981 im Regenbogentrikot in der "Hölle des Nordens" gewonnen.

Flandern-Rundfahrt-Sieger Niki Terpstra (Quick-Step Floors) rundete das Podium als Dritter mit 57 Sekunden Rückstand ab. Dahinter belegten Vorjahressieger Greg Van Avermaet (BMC), Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) und Sep Vanmarcke (EF-Drapac) mit jeweils 1:34 Minuten Rückstand auf Sagan die Plätze. Der Hürther Nils Politt (Katusha-Alpecin) gewann den Sprint einer größeren nächsten Gruppe mit 2:31 Minuten Rückstand und belegte als bester Deutscher Rang sieben. Taylor Phinney (EF-Drapac), Zdenek Stybar (Quick-Step Floors) und Jens Debuschere (Lotto Soudal) komplettierten die Top Ten.

"Was für ein Sieg! Dieses Jahr hatte ich Glück und bin von Stürzen oder Defekten verschont geblieben. Eigentlich fühle ich mich heute im Ziel sogar besser als die letzten Jahre, da ich vorne mein Tempo fahren konnte. Ich habe früh attackiert und konnte bis zum Ende durchziehen. Ich muss mich bei meinem ganzen Team bedanken, alle waren heute sehr stark, Daniel Oss, Marcus Burghardt, mein Bruder Juraj, Maciej Bodnar, aber auch Rudi Selig und Andreas Schillinger am Anfang des Rennens. 50 Kilometer vor dem Ziel bin ich losgefahren, das war vielleicht früh, aber dafür ist es jetzt ein unglaubliches Gefühl, diesen Sieg zu holen", freute sich der 28-jährige Sagan.

"Peter war der Beste. Ich habe versucht, meinen Sprint anzuziehen, aber er ist einfach der Stärkste. Als wir gemeinsam über die Pavé-Sektoren gefahren sind, habe ich gestaunt, was er für einen Motor hat. Ich bin stolz auf meine Leistung, stolz darauf, in die Situation gekommen zu sein, um den Sieg zu kämpfen. Natürlich ist da auch etwas Enttäuschung, dass ich nicht gewonnen habe. Aber ich hab gegen den Weltmeister, den stärksten Fahrer verloren. Da muss ich gar nicht unzufrieden sein. Ich hoffe dann auf Chancen in der Zukunft", kommentierte Dillier seinen Auftritt.

Genau 54 Kilometer vor dem Ziel war Sagan bei strahlendem Sonnenschein in die Offensive gegangen und hatte schnell zum Spitzentrio Dillier, Jelle Wallays (Lotto Soudal) und Sven Erik Byström (Team UAE) aufgeschlossen. "Nach meiner Attacke habe ich bis zum Ziel durchgezogen", gab er zu Protokoll. Die Verfolger um Terpstra und Van Avermaet ließen den dreimaligen Weltmeister gewähren, wohl auch in dem Glauben, dass der Bora-Kapitän zu früh in die Offensive gegangen sei. Dieser hatte nach der jüngsten Kritik des viermaligen Roubaix-Siegers Tom Boonen, Sagan würde zu passiv fahren, exakt an jener Stelle attackiert, an welcher der belgische Radstar im Jahr 2012 zu seinem vierten Pflasterstein gerast war.

Bei frühlingshaften Bedingungen hatte es zunächst rund 42 Kilometer gedauert, ehe sich die neunköpfige Gruppe des Tages gebildet hatte. Neben Dillier, Wallays und Byström waren der Paris-Nizza-Sieger Marc Soler (Movistar), Gatis Smukulis (Delko Marseille), Jimmy Duquennoy, Ludovic Robeet (beide Aqua Protect), Geoffrey Soupe (Cofidis) und Jay Robert Thomson (Dimension Data) in der Fluchtgruppe dabei, die sich rasch einen Maximalvorsprung von 8:35 Minuten herausfuhr.

Auf dem ersten Pflasterabchnitt von Troisville kam es zu einem Massensturz im Feld, in dessen Folge der Schweizer Stefan Küng (BMC) das Rennen aufgeben musste. Im berühmten Wald von Arenberg 95 Kilometer vor dem Ende zerfiel die Spitzengruppe, so dass am Ende der gepflasterten Waldgeraden nur noch Wallays, Byström, Dillier und Soler an der Spitze übrig blieben. Im Feld riss Mike Teunissen (Sunweb) mit Philippe Gilbert (Quick-Step Floors) am Hinterrad eine kleine Lücke, bevor Politt mit einem Antritt zum Verfolgerduo aufschloss.

Während der Oberurseler John Degenkolb (Trek-Segafredo) im Feld die Verfolgung organisierte, bekundete mit Arnaud Demare (Groupama-FDJ) einer der Favoriten erste Schwierigkeiten. Nachdem das Trio um Politt etwa 75 Kilometer vor dem Ende gestellt war, setzte Gilberts Teamkollege Stybar eine Konterattacke. Der dreimalige Crossweltmeister sammelte nach und nach die ehemaligen Ausreißer ein, doch an das Spitzenquartett kam der Tscheche nicht heran. 60 Kilometer vor dem Ziel war sein Unterfangen beendet.

Kurz darauf setzten mit Van Avermaet und Crossweltmeister Wout Van Aert (Verandas Willems-Crelan) zwei der Topfavoriten eine erste ernsthafte Attacke, die von den anderen Favoriten jedoch unmittelbar neutralisiert wurde. Mit dem Zusammenschluss setzte sich Sagan an die Spitze und fuhr im Vier-Sterne-Sektor von Orchies, wo Boonen 2012 ebenfalls die letzten 54 Kilometer solo in Angriff nahm, eher unscheinbar aus der Favoritengruppe davon. Sein Vorsprung wuchs rasch an, auch weil bei den Verfolgern das Team Quick-Step Floors die alleinige Verfolgung übernehmen musste.

47 Kilometer vor dem Ziel brach ein Sturz mit Tony Martin (Katusha-Alpecin) und Alexander Kristoff (Team UAE) bei den Verfolgern den Rhythmus, weshalb Sagan seinen Vorsprung mit den mittlerweile eingeholten Spitzenreitern auf 50 Sekunden ausbaute. Während der Weltmeister die meiste Tempoarbeit verrichtete, fielen zunächst Byström und schließlich auch Wallays aus der Spitze zurück. Lediglich Dillier konnte sich am Hinterrad des Slowaken halten, der 30 Kilometer vor dem Ziel bei voller Fahrt selbstständig die Imbusschrauben an seinem Gabelschaft nachziehen und seinen gelockerten Lenker richten musste.

Auch die Verfolger waren mittlerweile dezimiert, auch weil Cross-Weltmeister Wout Van Aert (Veranda Willems-Crelan) nach einem Defekt zurückfiel. Der Belgier musste zudem eine Hiobsbotschaft hinnehmen: Sein Teamkollege und Landsmann Michael Goolaerts war auf einem der Pavés kollabiert und musste noch auf der Strecke reanimiert werden. Der 23-Jährige wurde per Helikopter in ein Krankenhaus geflogen.

An der Spitze harmonierten Sagan und Dillier hervorragend miteinander, so dass das Duo seinen Vorsprung von maximal 1:30 Minuten auf die Radrennbahn in Roubaix verteidigen konnte. Dort zog Sagan an zweiter Position fahren rund 150 Meter vor dem Ziel den Sprint an, dem Dillier nach knapp 220 Kilometern an der Spitze des Rennens kaum etwas entgegenzusetzen hatte.

 

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.05.2020Dumoulin will mal Paris-Roubaix fahren: Aber nicht nur zum Spaß

(rsn) - Nicht gleich, aber vielleicht bald! Tom Dumoulin (Jumbo - Visma) möchte einmal bei der"Königin der Klassiker" antreten. Doch nicht einfach nur zum Spaß. "Paris-Roubaix auf meiner Bucket Lis

09.12.2018Einer flog - unerlaubt - über Paris - Roubaix

(rsn) - Die Profis des Quick-Step-Floors-Rennstalls waren mit nicht weniger als 73 Siegen die Überflieger der Saison. Den Begriff könnte man auch auf Thomas Lefevere anwenden, allerdings in einer an

22.10.2018Degenkolb wird Botschafter der “Amis de Paris-Roubaix“

(rsn) - John Degenkolb (Trek-Segafredo) wird als erster Profi Botschafter von "Les Amis de Paris-Roubaix (Freunde von Paris - Roubaix)“. Wie auf der Internetseite des 1977 gegründeten Vereins angek

13.06.2018Pavé-Sektor von Paris - Roubaix nach Michael Goolaerts benannt

rsn) - Die ASO hat einen Kopfsteinpflasterabschnitt von Paris-Roubaix nach dem bei der diesjährigen Austragung ums Leben gekommenen Michael Goolaerts benannt. Der bisher als Pavé Chemin de Saint-Que

09.04.2018Martin tröstet nur der starke Auftritt von Politt

(rsn) - Das Pech bleibt Tony Martin treu. Nach einem starken Beginn beim Klassiker Paris - Roubaix schlug es ihn 47 Kilometer vor dem Ziel in der heißen Phase des Rennens aufs Pflaster. Eigentlich wÃ

09.04.2018Politt vollzieht Wandlung vom Zeitfahrer zum Klassikerjäger

(rsn) - Bisher war Nils Politt (Katusha-Alpecin) als talentierter Zeitfahrer mit Tempobolzer-Qualitäten bekannt - mit Potential für die Klassiker. In diesem Frühjahr aber vollzog der erst 24-Jähri

09.04.2018Vanmarcke und Phinney im Finale zu müde für weitere Angriffe

(rsn) - Als 40 Kilometer vor dem Ziel von Paris-Roubaix in Kopfsteinpflaster-Sektor Nr. 10 die sechsköpfige Verfolgergruppe des späteren Siegers Peter Sagan (Bora-hansgrohe) sowie seiner Begleiter S

09.04.2018Van Aert: Rennen stark, Ergebnis enttäuschend und beides ist egal

(rsn) - Seitdem er als 13. im Velodrom von Roubaix angekommen ist und kurz danach vom Unfall seines Teamkollegen Michael Goolaerts gehört hat, dürften Gedanken an sein eigenes Pech im Kopf von Wout

09.04.2018Sagan straft Boonen Lügen: Kritik des Belgiers als Motivationsschub?

(rsn) - Möglicherweise entschied sogar am Ende Tom Boonnen die 116. Austragung von Paris-Roubaix. Im Vorfeld des Rennens hatte Peter Sagan seinen Unmut über die mangelnde Zusammenarbeit gegen die Ü

09.04.2018Dillier wird mit großer mentaler Stärke Zweiter bei Paris - Roubaix

(rsn) - Nach einer Flucht von rund 200 Kilometern blieb Silvan Dillier (AG2R) im Velodrome von Roubaix im Sprintduell gegen Peter Sagan (Bora-hansgrohe) zwar chancenlos. Doch der Schweizer Meister war

09.04.2018Michael Goolaerts nach Herzstillstand verstorben

(rsn/dpa) - Der Belgier Michael Goolaerts ist wenige Stunden nach seinem Unfall beim Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix gestorben. Das bestätigte sein Team Verandas Willems-Crelan Sonntagnacht auf Twi

09.04.2018Highlight-Video des 116. Paris - Roubaix

(rsn) - Am Sonntag platzte bei Peter Sagan (Bora-hansgrohe) endlich der Knoten. Nachdem es bei bisher sieben Auftritten nie zum Podium von Paris-Roubaix gereicht hatte, holte sich der Weltmeister bei

Weitere Radsportnachrichten

28.03.2024Die Strecken zum Oster-Highlight: Die Flandern-Rundfahrt

(rsn) – Die 108. Flandern-Rundfahrt der Männer und die 21. der Frauen werden am Ostersonntag auf den letzten 45 Kilometern ab dem Ort Melden am Fuß des berüchtigten Koppenbergs über dieselbe Str

28.03.2024Die Flandern-Rundfahrt im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die Flandern Rundfahrt ist für viele Radsport-Fans neben Paris-Roubaix das Highlight des Frühjahrs. Das belgische Monument führt über mehr als 260 Kilometer und zahlreiche Hellinge, den ku

28.03.2024Tour-Siegerin Vollering “überrascht“ von SD-Worx-Ankündigung

(rsn) –Demi Vollering hat sich verwundert über die Mitteilung ihres Teams SD Worx – Protime gezeigt, das in Person von Sportdirektor Danny Stam gegenüber GCN den zum Saisonende bevorstehenden Ab

28.03.2024Van Aert erfolgreich operiert - Giro-Debüt ungewiss

(rsn) – Einen Tag nach seinem schweren Sturz bei Dwars door Vlaanderen ist Wout van Aert nach Angaben seines Teams Visma – Lease a Bike erfolgreich operiert worden. Ob der 29-jährige Belgier rech

28.03.2024Appell an die Zuschauer: “Haben Sie Respekt vor den Fahrern“

(rsn) – Wenige Tage vor der 108. Flandern-Rundfahrt (1. UWT / 1. März), haben Tomas Van Den Spiegel, Geschäftsführer des Veranstalters Flanders Classics, und Carina Van Cauter, die Gouverneurin R

28.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Männer

(rsn) – Der Ostersonntag wirft seine Schatten voraus: Am 31. März versammelt sich das WorldTour-Peloton in Antwerpen zum Start der 270,8 Kilometer langen Ronde van Vlaanderen. Das Heiligtum des bel

28.03.2024Zeckenbiss möglicher Grund für De Lies Formschwäche

(rsn) – Da Arnaud De Lie in den vergangenen Wochen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war, hatte sein Team Lotto – Dstny in Absprache mit dem 22-jährigen Belgier entschieden, dass diese

28.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Frauen

(rsn) – Wenn die Männer nach ihrem Start in Antwerpen bereits 120 Rennkilometer hinter sich haben und erstmals durch Oudenaarde kommen, stellen sich dort auf dem Marktplatz des Zielorts der Ronde v

28.03.2024Huppertz: Vor Rennen abends einen trinken? Heute unvorstellbar

(rsn) – Eine so lange Zusammenarbeit wie die zwischen Joshua Huppertz und Teamchef Florian Monreal gibt es im Kontinental-Bereich sehr selten. Seit August 2014 steht der mittlerweile 29-Jährige Aa

28.03.2024Movistar verlängert mit “Sensation“ Meijering

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

28.03.2024Märkl will auch bei der Ronde “vor das Radrennen“

(rsn) – Wie schon beim E3 Saxo Classic schaffte Niklas Märkl (DSM Firmenich – PostNL) auch bei Dwars door Vlaanderen den Sprung unter die Ausreißer des Tages. Doch während sein Fluchtbegleiter

28.03.2024Trotz Sturz: Pedersen ist für Ronde-Start zuversichtlich

(rsn) – Ausgerechnet kurz vor der Flandern-Rundfahrt, dem Höhepunkt der flämischen Klassikersaison, wurde Lidl – Trek mächtig gebeutelt. Bei Dwars door Vlaanderen waren mit Gent-Wevelgem-Sieger

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • La Route Adélie de Vitré (1.1, FRA)