21. September - Attersee (A) - Rennbericht

King of the Lake 2019: das „Who is Who“ der Zeitfahr-Szene

Von Holger Koopmann

Foto zu dem Text "King of the Lake 2019: das „Who is Who“ der Zeitfahr-Szene"
Katja Willöper | Foto: sportograf.com

25.09.2019  |  Der "King of the Lake", kurz und liebevoll auch "KotL" genannt, hat sich in den letzten Jahren zum größten Zeitfahr-Event Europas gemausert. Bei der mittlerweile neunten Austragung standen am vergangenen Wochenende mehr als 1200 Teilnehmer aus 17 Nationen am Start, darunter das „Who is Who“ der mitteleuropäischen Zeitfahr-Szene. Neben dem klassischen Einzelzeitfahren mit rund 700 Starter/innen gibt es auch ein Mannschaftszeitfahren und seit 2018 auch das Team-Zeitfahren der österreichischen Rad-Bundesliga.

Mit Holger Koopmann und Katja Willöper standen ein Fahrer und eine Fahrerin am Start, die den Wettbewerb mit ganz unterschiedlichen Ambitionen und Voraussetzungen in Angriff nahmen. Beide gehören dem Team Strassacker an.

Während Holger Koopmann schon einige Jahre Erfahrung und gute Ergebnisse im Zeitfahren vorweisen kann und bei seiner Erstteilnahme 2018 direkt auf Platz 7 der Gesamtwertung fuhr, hat sich Katja Willöper erst in diesem Frühjahr ein Zeitfahrrad zugelegt und bisher wenig Erfahrung mit dieser Disziplin. Da bot das KotL mit seiner Streckenlänge über 47,2 km und 280 Höhenmeter rund um den Attersee eine echte Herausforderung. Hier nun die Berichte...

Holger Koopmann
Für mich war es bereits der zweite Start beim „King“. Im letzten Jahr hatte ich mir nach einem sehr guten 40-km-Zeitfahren bei der Tour de Kärnten im Mai 2018 zwar bereits ausgerechnet, das ich durchaus in die Top 10 fahren kann. Aber in den Wochen vor dem Wettkampf hatte ich Veränderungen an meinem Cockpit vorgenommen, die mir im Folgenden muskuläre Probleme bereiteten und mich nicht besonders zuversichtlich starten ließen.

Doch das Rennen selbst lief dann genial
und schrie geradezu nach Wiederholung. An meinem Rad, meiner Position und meiner Bekleidung gab es noch Optimierungsbedarf, und so wollte ich das KotL 2019 mit Podiums-Ambitionen angehen. Leider machten mir die erwähnten muskulären Probleme bis weit in das Frühjahr 2019 zu schaffen.

Zahllose Arztbesuche sowie endlose Dehnübungen bestimmten weite Teile des Winters. Aber zumindest bekam ich irgendwann meine Schmerzen in den Griff und mit der Zeit nahm auch das Ziel "Podium beim KotL" wieder Gestalt an.

Ende August stand ein erster Formtest an:
Bei der WMCF-Masters-WM in St. Johann konnte ich das Zeitfahren gewinnen und bekam das nötige Selbstbewusstsein auch beim KotL ganz vorne landen zu können. Nun galt es die Form über die nächsten fast fünf Wochen weiter aufzubauen.

Wir reisten bereits Anfang der Woche an den Attersee, um den Zeitfahrkurs noch einmal in Ruhe in Augenschein zu nehmen. Auch wenn die Strecke abgesperrt ist und sich „eine Runde um den See“ eher unspektakulär anhört, so haben die 47 km doch einige Tücken. So findet sich der Großteil der 280 Höhenmeter erst auf dem zweiten Teil der Strecke. Dort sind auch zwei, drei enge Kurven versteckt, wo man sich die Fahrlinie gut einprägen und testen sollte.

Und dann die Renn-Taktik:
Verhalten angehen und dann zum Ende hin steigern, oder doch lieber am Anfang Gas geben und versuchen, das so lange wie möglich zu halten? Dazu die Überlegung, was die Konkurrenz macht und wie gut drauf sie aktuell wohl ist!?

In der Wundertüte stecken ja immer noch ein paar Starter, die man bisher nicht auf dem Plan hatte, weil sie hier noch nie oder lange nicht mehr gestartet sind. So etwa Andrej Gucek, der UCI-Granfondo-Zeitfahr-Weltmeister 2018, oder der Triathlon-Profi Paul Ruttmann, der zuletzt 2016 am Start stand und seine damalige Zeit direkt um zwei Minuten verbesserte.

Andere Starter wurden offenbar Opfer
ihrer Taktik, wie z.B. der Triathlet Tobias Häckl, der das Rennen sehr langsam anging und an der ersten Zwischenzeit nach 12 km auf Rang 60 geführt wurde, anschließend aber an allen Zwischenzeiten unter den Top 10 zu finden war.

Ich hatte mir die Zwischenzeiten in der Ergebnisliste des Vorjahres nochmal angeschaut und am Vorabend des Rennens stand für mich fest, dass ich es dieses Jahr schneller angehen will als 2018. Meine Stärken kann ich auf den flachen ersten 23 km bis nach Unterach besser ausspielen, als auf dem profilierten Rückweg.

Dazu setzte ich mir als Ziel,
meine erste Zwischenzeit aus 2018 (15‘ 09“ min) zu unterbieten und eher 14‘ 30“ bis 14‘ 45“ zu fahren. Leider machte ich dann den Fehler, mich nicht genau zu informieren, wo die erste Zwischenzeit genommen wird. So dachte ich, dies wäre an der Fan-Zone in Seefeld, nach 13 km.

Wie bereits erwähnt wurde sie aber schon nach 12 km gemessen. Nun guckte ich aber erst nach 13 km auf meinen Garmin und sah dort 15‘ 40“ stehen. Ich konnte es kaum fassen, denn gefühlt war ich sehr schnell unterwegs. So musste ich weitere 10 km, bis zum Anstieg in Unterach warten, um einen Vergleichswert zum Vorjahr zu bekommen.

Da stand dann 29‘ 14“ auf dem Tacho,
ganze 1‘ 20“ schneller als im Jahr zuvor. Ich konnte es kaum glauben - hatte ich mich beim addieren meiner Zwischenzeiten verrechnet? Offenbar nicht. Es gab mir Sicherheit für den Rückweg, auch wenn ich schon anfing, mögliche Zielzeiten zu überschlagen, da ich 2018 für den Rückweg exakt so lange gebraucht hatte wie für den Hinweg nach Unterach.

Doch während ich im Jahr zuvor auf den 23 km zurück nach Seewalchen die gleichen Watt-Werte treten konnten wie auf dem 24 km langen Hinweg, so war mir dies in diesem Jahr nicht möglich. Hatte ich es auf dem Weg nach Unterach doch ein wenig übertrieben? Vom Gefühl her eigentlich nicht. Und auch wenn ich schneller unterwegs war als 2018, so konnte dies für meine Konkurrenten ja schließlich auch gelten.

Ich hielt mein Tempo also hoch
und motivierte mich auf dem Rückweg, indem ich mir immer nur kleine Abschnitte vornahm, die als nächstes zu erreichen waren. Noch 4 km bis Nußdorf, danach 4 km bis Attersee, 3,5 km bis zum 13-%-Steilstück in Buchberg und dann nur noch 5 km bis ins Ziel.

Doch spätestens ab Nußdorf hatte ich echt zu kämpfen. Die Watt-Werte sanken förmlich in den Keller und das Steilstück, das ich im Vorjahr gefühlt hochflog, war in diesem Jahr eine arge Quälerei. Aber Zeitfahren ist immer ein mentaler Kampf gegen sich selbst. Ich baute mich daran auf, dass ich im Vorjahr auf den letzten zweieinhalb Kilometern eine der besten Zeiten gefahren war.

Also zum Schluss nochmal alles geben.
Allerdings hatte ich mittlerweile keinen Überblick mehr, wie ich zeittechnisch überhaupt stand. Die magische „Stunde“ knacken zu können, hatte ich längst abgehakt. Ich gab einfach alles, was der Körper noch leisten konnte und war froh als ich endlich die Ziellinie vor Augen hatte.

Wie überrascht war ich dann, als der Streckensprecher verkündete, dass ich mit 1 h 00 m 13 s ins Ziel gekommen war - da hatte ich mich doch glatt um 57 Sekunden verbessert! Im Endergebnis, auf Platz sechs der Gesamtwertung und Platz drei der Altersklasse, war es dann doch nur eine Verbesserung um eine Platzierung in beiden Wertungen.

Aber ich war dennoch hochzufrieden,
denn ich hatte bis auf den Vorjahres-Dritten Martin Geretschnig alle 2018 vor mir Platzierten in diesem Jahr hinter mir gelassen. Da gab es dann halt neben Andrej Gucek mit Filip Speybrouck noch einen Masters-Stundenweltrekordler, der ebenfalls zum ersten Mal hier startete und vor mir lag, sowie Profi-Triathlet Paul Ruttmann.

Und da war noch Lokal-Matador Felix Hermanutz, der sich bei seinem Heimrennen bisher jedes Jahr verbessert hat und dieses Mal gleich drei Minuten schneller fuhr als 2018. Dem hatte niemand etwas entgegenzusetzen, und so kommt der neue "King of the Lake" vom Lake selbst: aus Attersee am Attersee...

Katja Willöper
Während Holger seine Podiums-Ambitionen verfolgte, ging es für mich darum, Erfahrungen im Zeitfahren zu sammeln und den Spaß unter der hohen Belastung des Rennes zu behalten. Es war etwa das zehnte Mal, dass ich auf meinem Zeitfahrrad saß, und es sollte mein zweiter Zeitfahr-Wettkampf werden. Nur woran orientiert man sich bei so einer langen Strecke, wenn man keine Erfahrung hat?

Auf die Konkurrenz, wie die zigfache Siegerin Adelheid Schütz, die hier in den Vorjahren mit Zeiten um 1 h 06 m gefinisht hat, brauchte ich erst gar nicht zu schauen - eine ganz andere Liga. Also hieß es für mich, möglichst konstant von Anfang bis Ende zu treten und zu hoffen, dass ich nicht einbreche. Als Zielzeit hatte ich mir, nach den Erfahrungen meines ersten Wettkampfes, dann 1 h 20 m vorgenommen.

Ich fuhr als eine der ersten Starterinnen
um 14:06 Uhr von der Rampe - und ab ging es. Die Beine fühlten sich gut an und ich kam schnell in Tritt. Noch vor der ersten Ortsdurchfahrt nach 5 km überholte ich eine vor mir gestartete Fahrerin, bevor wir wiederum von zwei Männern „überrollt“ wurden. Einer von ihnen musste aber dem hohen Tempo Tribut zollen, so dass ich ihn am Anstieg zur Hälfte des Rennens wieder einholte.

Das gab mir echte Motivation. Auf dem zweiten Streckenabschnitt hieß es dann Tempo halten und an den Anstiegen nicht überpacen. Noch hatte ich Spaß, auch wenn die Beine mehr und mehr brannten. Die Anfeuerungen aus den Fan-Zonen motivierten mich, und die Zeit bis zum kurzen 13-%-Anstieg, gut fünf Kilometer vor Ziel, verging wie im Flug.

Jetzt im Wiegetritt hoch und noch einmal alles geben.
Bisher hatten mich nur zwei Fahrer überholt, und das sollte auch bitte schön so bleiben! Wenige Minuten war später alles vorbei und ich mit einem Lächeln im Ziel. Als dann der Streckensprecher noch meine Zeit von 1 h 15 m 26 s nannte, war ich glücklich und zufrieden.

Doch damit nicht genug - ich hielt zu diesem Zeitpunkt die Bestzeit der Frauen, was für mich Platz nehmen auf dem „heißen Stuhl“ bedeutete. Auch wenn der Moment auf dem roten Stuhl nicht lange dauerte, und bald eine neue Bestzeit kam, wird mir der gesammelte Erfahrungsschatz bei dieser top organisierten Veranstaltung noch lange in Erinnerung bleiben.

Am Ende des Tages belegte ich
unter 73 gestarteten Fahrerinnen Platz 5 in meiner Altersklasse und Platz 13 gesamt - ein Ergebnis, mit dem ich überaus zufrieden bin, und das ich mir vorher nie hätte vorstellen können.

Dieses Rennen hat mich bestätigt, dass die Anschaffung des Zeitfahrrads die richtige Entscheidung für mich war und mir dieser Kampf gegen mich selbst unter allen Radsport-Disziplinen am meisten Spaß macht. Und: Sollte ich auch 2020 einen der begehrten Startplätze erhalten, dann wird mich der Attersee auf jeden Fall wiedersehen.

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