Neuer Trainer coacht per Skype

Kittel: “Kevin ist ein Arschtreter“

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Kittel: “Kevin ist ein Arschtreter“"
Marcel Kittel bei der Katusha-Alpecin-Teampräsentation | Foto: TKA/Kathrin Schafbauer

18.12.2018  |  (rsn) - Im ersten Jahr der Zusammenarbeit fuhren Marcel Kittel und sein neues Team Katusha-Alpecin den Siegen hinterher. Nur zweimal war der im Jahr 2017 noch beste Sprinter der Welt erfolgreich. Seine Mannschaft insgesamt nur fünfmal. Tiefpunkt war der vorzeitige Tourausstieg und der Krach zwischen Kittel und dem Sportlichen Leiter Dimitri Konyshev, der den Deutschen in einem Interview als "Egoisten“ bezeichnet hatte, den er "nicht ausgewählt“ hätte.

Was war 2018 bei Katusha-Alpecin los?
Marcel Kittel: 2018 war kein schönes Jahr. Für mich persönlich nicht und für das Team auch nicht. Wir sind nicht in Schwung gekommen. Danach hat es lange gedauert, bis sich im Oman die ersten Erfolge einstellten. Es folgte noch Tirreno mit meinen beiden Siegen. Danach war es schon wieder vorbei. Ich muss aber auch sagen, dass weder ich noch jemand anderes sich hat gehen lassen. Wir wollten die Erfolge. Vielleicht wollten wir sie ein wenig zu viel. Einen genauen Grund kann ich nicht nennen.

Haben Sie eine Erklärung, warum es nicht lief?
Kittel: Ich kann nur für mich sprechen. Für mich war es ein Jahr, indem ich mich nicht so gefühlt habe, wie ich wollte. Ich habe mich untersuchen lassen, woran es liegen könnte. Ob es ein Virus ist. Oder ob ich beispielsweise Probleme mit dem Lungenvolumen habe. Doch alles war gut. Ich hatte keine Krankheit. Ich glaube, dass es schon 2017 seinen Anfang genommen hat mit dem Sturz bei der Tour. Danach habe ich mich nicht richtig erholt. Ich war danach im Urlaub, wo ich auch mal andere Verpflichtungen wahrnehmen wollte. Ich hatte eine relativ unruhige Off-Season mit dem Teamwechsel, wo ich mich auch gleich richtig einbringen wollte. Ich trainierte viel. Da hat sich vielleicht mein Körper gemeldet und gesagt, es geht gerade nicht so, wie du willst. Mach mal ruhiger.

Haben Sie vielleicht doch Fehler gemacht?
Kittel: Nach 2017 denkt man, das läuft. Ich habe zwar nicht auf der Überholspur gelebt. Aber man denkt, das kann ich auch noch machen und fährt noch mal dorthin. Man besucht die Kumpels. Aber dann bekommst du doch eine Meldung von deinem Körper, der nicht mehr will. Klar ist es auch viel Kopfsache, wenn man von Sieg zu Sieg fliegt, nachdem man viel gearbeitet hat, und die Puzzelteile zusammenfallen. Das war in dieser Saison bei mir und dem Team aber nicht so. Ich hatte mich auch zu Beginn gut gefühlt. Als wir in die Tour gingen und ich auf der 1. Etappe Dritter wurde, dachte ich, es läuft. Ich hatte das Gefühl, dass ich immer relativ gut gestartet bin. Nach ein paar Renntagen hat mir aber immer etwas gefehlt. Vielleicht war ich doch etwas müde.

Welche Schlüsse zogen Sie daraus?
Kittel: Es etwas ruhiger angehen zu lassen. Das habe ich mir für 2019 vorgenommen. Es kommt bei euch Journalisten immer so an, der hat zu viel gefeiert, er hat sich gehen lassen. Aber das ist nicht so. Ich habe durchgezogen, war auch motiviert, konnte es aber nicht durchsetzen.

Wie fühlen Sie sich heute?
Kittel: Besser. Ich spüre, das Training kommt an. Ihr habt sicher alle gelesen, dass ich jetzt wie ein Mönch lebe. Ich bin zwar in kein Kloster eingezogen, aber ich versuche, mich wieder auf die Basics zu konzentrieren. Das sind Trainieren, Essen, Schlafen. Dazu versuche ich alle anderen Störfaktoren von mir fernzuhalten.

War das schwache Jahr auch der Grund für die Veränderungen im Management Ihres Teams?
Kittel: Man schaut individuell, was man besser machen kann, das macht auch die Teamspitze. Sie haben mit einem neuen Sportlichen Leister (Dirk Demol), mit einem Performance Manager (Erik Zabel) und einem neuen Trainer (Kevin Poulton) reagiert. Da ich meine Saison früher beenden durfte, konnte ich auch schon mit Poulton arbeiten. Das tut mir gut. Ich muss aber auch sagen, dass ich auf Robert, meinen alten Trainer, nichts kommen lasse. Er ist ein super Kerl. Jetzt ist die Situation so und ich kann auch mit Kevin gut. Es ist mir auch wichtig, dass wir eine gute Arbeitsweise finden.

Kannten Sie Poulton schon vorher?
Kittel: Nein! Wir haben uns über Skype kennengelernt, uns aber noch nicht getroffen. Kevin ist ein Arschtreter. Er fordert, was ich auch sehr gut finde. Klar, Kilometer habe ich schon ein paar geschruppt. 2019 ist vor der Tour, darauf konzentriere ich mich.

Wie sehr hat Marco Haller 2018 gefehlt?
Kittel: Sehr, er ist nicht nur ein guter Anfahrer, sondern auch ein Leader, ein Teamkapitän. Das braucht eine Mannschaft. Es wird uns sehr helfen, dass er wieder da ist. Er hatte ja nicht nur den schweren Unfall, sondern auch noch eine Blinddarmentzündung danach. Dann hat er sich die Platten aus dem Schlüsselbein rausholen lassen. In sechs Monaten wurde er viermal operiert. Er hatte ein richtig beschissenes Jahr. Aber jetzt war er mit mir in Girona im Training. Er hat schon wieder richtig Zug auf der Kette. Da habe ich schon Angst, dass ich sein Hinterrad halten kann (lacht).

Welche Rolle wird Erik Zabel einnehmen?
Kittel: Es ist für uns im Sprint sehr wichtig, dass wir von seiner Erfahrung profitieren können. Bei Mailand-Sanremo hat er uns am Telefon das Finale erklärt. Es war so anschaulich, dass ich dachte, er fährt es gerade ab. Er hat jede Kurve gewusst. Es hilft uns, dass wir die Positionierung in Rennen, die doch immer wieder gleich ablaufen, besprechen können.

Werden Sie auf seinen Rat hören?
Kittel: Klar, ich arbeite jetzt zum ersten Mal mit ihm zusammen. Wenn er uns helfen kann, warum soll ich seinen Rat nicht annehmen?

Dann fügt Kittel an: Man vergisst manchmal, wie hart der Job ist. Ich habe mit Jan Frodeno (gewann Olympiagold im Triathlon und den Ironman, d. Red.) darüber gesprochen. Er meinte: Es ist krass, was ihr da macht. Ihr habt 70, 80 Renntage im Jahr. Er sagte, er habe nur sieben. Dazwischen ist er zuhause und trainiert ohne die ganzen Reisen, die wir haben. Das ist doch ein ganz anderes Programm. Klar ist der Ironman superhart. Aber bei uns ist es die Kombination mit den ganzen Reisen. Das vergisst man manchmal. Das war für mich auch eine Lehre.

Wie werden Sie 2019 angehen?
Kittel:
Ich habe eine Idee zum Rennplan. Den muss ich aber erst mit dem Team besprechen, deshalb kann ich dazu noch nichts sagen. Ich werde aber keine großartigen Experimente machen.

Die Tour de France wird wieder extrem bergig…
Kittel: 2016 war auch eine schwere Tour. Da bin ich nach dem Sch… Jahr 2015 noch den Giro gefahren und kam in einer Bombenform an den Start. Klar ist die Tour schwer. Wann man aber gut vorbereitet reingeht, kann auch ein Rennfahrer wie ich sie überleben. Jetzt, wo die ASO auf den Geschmack gekommen ist, es noch ein wenig kürzer, ein wenig schneller und es etwas mehr berghoch zu machen, ist es schon eine Challenge. Da weiß ich, dass alles passen muss. Da sind wir wieder beim Mönch. Da will ich sicher sein, dass ich meinem Trainingsplan folgen kann, um dann im Juli an den Start gehen zu können.

Viele erwarteten, dass Sie nach der Tour das Team wechseln würden. Warum sind Sie geblieben?
Kittel: Ich will so nicht gehen. Ich weiß auch nicht, woher diese Gerüchte kamen. Vielleicht wegen 2015 (als er von Giant-Alpecin zu Quick-Step ging, d. Red.), dass der Kittel gleich die Mücke macht, wenn es mal schlecht läuft. Das ist aber nicht so. Ich habe die tiefe innere Überzeugung, dass ich es besser machen kann. Ich glaube auch an meine Teamkollegen. Wenn wir 2019 nach einem guten und entspannteren Winter mehr fokussiert angehen können, werden wir es auch besser machen. Das ist für mich der Ansporn. Wenn man auf der Radrennbahn gestürzt ist, sollte man auch nicht gleich in die Umkleidekabine gehen, sondern noch mal aufsteigen und wieder eine Runde fahren. Am Ende ist das nichts anderes. Es lief zwar schlecht, aber das war nicht das Ende der Welt. Es ist wichtig, auch nach einem beschissenen Jahr mit erhobenem Kopf rauszugehen.

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