Ex-Garmin-Teamarzt und Millar kritisieren TUEs

Steffen: “Wiggins wurde schlecht beraten“

Foto zu dem Text "Steffen: “Wiggins wurde schlecht beraten“"
Alles ausgestanden? Die Kritik an Team Sky und Bradley Wiggins reißt nicht ab. | Foto: Cor Vos

22.11.2017  |  (rsn) - Auch nachdem die Britische Anti-Doping-Agentur UKAD ihre Untersuchungen im Fall von Bradley Wiggins nach 15 Monaten aus "Mangel an Beweisen“ eingestellt und damit nach Ansicht vieler Beobachter ein Bankrotteingeständnis abgeliefert hat, läuft die Diskussion um die ominösen Medikamentenlieferungen und die umstrittenen Ausnahmegenehmigungen (TUE) an den Tour-Sieger von 2012 mit unverminderter Intensität weiter.

Besonders interessant ist in dem Zusammenhang die Wortmeldung von Prentice Steffen, der als damaliger Teamarzt von Garmin-Slipstream auch für den Briten verantwortlich war, der 2009 völlig überraschend bei der Tour de France Rang vier belegt hatte. Danach war Wiggins von Team Sky aus seinem noch laufenden Vertrag herausgekauft worden und hatte 2012 seine großen Triumphe gefeiert.

Wie seine von cyclingnews.com zitierten Äußerungen deutlich werden lassen, sieht Steffen bei Wiggins und Team Sky trotz der eingestellten Untersuchungen nach wie vor ein großes Glaubwürdigkeitsproblem, zumal er den Briten in dessen Saison bei Garmin nicht als "einen extrem medizinischen Typ“ erlebt habe. Damit spielte der Mediziner auf die medizinischen Ausnahmegenehmigungen (TUE) an, die Wiggins in den Jahren seiner größten Erfolge regelmäßig vor den großen Rundfahrten erhielt. Der mittlerweile 37-Jährige hatte das mit Asthmaproblemen begründet.

Auf Steffen dagegen wirkt es so, als hätte Wiggins "einen schlechten Rat [erhalten] und es ist bedauerlich, dass es so abläuft. Wenn er bei uns geblieben wäre, wäre das nicht passiert“, zeigte er sich überzeugt, dass der erste britische Tour-Sieger der Geschichte bei Garmin besser aufgehoben gewesen wäre. "Vielleicht hätte er die Tour nicht gewonnen, vielleicht doch, aber ich habe das Gefühl, dass neben dem Tour-Sieg ein kleines Sternchen steht", benannte er seine Zweifel, die allerdings mehr dem Rennstall gelten als dem Fahrer Wiggins.

"Technisch gesehen ist das nicht illegal, aber ich denke, Sky hat sich unethisch verhalten, und wenn das medizinische Personal versucht hat, an der WADA und der UCI vorbei zu kommen, dann war das nicht richtig“, sagte Steffen und kritisierte namentlich Manager David Brailsford und den ehemaligen Sportdirektor Shane Sutton.

Brailsford hatte sich lange Zeit geweigert, überhaupt Auskunft über die Medikamentenlieferung zu geben, die Wiggins am letzten Tag des Critérium du Dauphiné aus Manchester erhalten hatte, wo Team Sky und der Britische Radsportverband ihren Sitz haben. Erst vor dem Parlamentsausschuss, der parallel zu UKAD mögliche Dopingvergehen im britischen Radsport untersucht, hatte der Waliser sich dazu geäußert und erklärt, dass sein Fahrer damals lediglich mit einem Hustenlöser versorgt worden sei - eine Behauptung, die allgemein auf mehr oder minder großes Unverständnis stieß und die Glaubwürdigkeit von Brailsford nicht eben erhöhte.

Sutton, der früher auch persönlicher Trainer von Wiggins war und mittlerweile die chinesischen Bahnfahrer betreut, verteidigte erst kürzlich in einer von der BBC ausgestrahlten Dokumentation die medizinischen Ausnahmegenehmigungen und nannte sie eine legitime Methode, sich innerhalb der Regeln "marginale Gewinne“ zu verschaffen. Ähnlich hatte sich in der Dokumentation Brailsford geäußert. "Wenn ein Athlet durch eine Krankheit behindert ist und es ein Medikament gibt, das er haben kann und das die TUE-Kriterien erfüllt, dann soll er es bekommen“, sagte der Sky-Teamchef.

Dagegen nannte Ex-Profi David Millar das Verhalten von Team Sky "einfach sehr enttäuschend. Sie haben mit dem System gespielt, das ist ziemlich offensichtlich. Ich denke, wir alle wissen das“, sagte der Schotte ebenfalls in der Dokumentation und kritisierte vor allem, dass der mit einer "Null-Toleranz“-Politik 2010 öffentlichkeitswirksam angetretene Brailsford seinen eigenen Maßgaben nicht gefolgt sei.

"Team Sky war Null-Toleranz, also würde man denken, dass Null-Toleranz bedeutet, dass Sie nicht in diesen sehr grauen Bereich betreten würden, den der Kortison-Gebrauch darstellt. Als ich das hörte, (dass dies geschah), starb ein bisschen von mir, um ehrlich zu sein“, deutete Millar an, was er von Team Sky mittlerweile hält.

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.03.2021Freeman schuldig gesprochen, Dopingmittel bestellt zu haben

(rsn) - Richard Freeman, der frühere Arzt des Team Sky und von British Cycling, wurde nach einem langwierigen Verfahren für schuldig befunden, "wissend oder glaubend“, dass diese Mittel zur Leistu

30.10.2019Medien: Freeman wird Lüge über Testosteron-Pflaster gestehen

(rsn) - Der ehemalige Teamarzt des Team Sky, Richard Freeman, wird wohl vor dem britischen General Medical Council (GMC) öffentlich zugeben, dass er im Bezug auf die Bestellung von Testosteron-Pflast

11.11.2018Droht Ex-Sky-Arzt Freeman der Entzug seiner Approbation?

(rsn) - Dem ehemaligen Arzt des Team Sky und des britischen Radsportverbandes, Richard Freeman, droht offenbar der Entzug seiner Approbation. Wie der Sunday Telegraph berichtet, wird der Mediziner in

29.04.2018Westra gesteht Einsatz von TUEs zur Leistungssteigerung

(rsn) - Diese Meldung dürfte die Diskussionen um die umstrittenen Medizinischen Ausnahmegenehmigungen, Therapeutic Use Exemptions (TUE), weiter befeuern. Wie die Zeitung Leeuwarder Courant berichtete

08.03.2018Anti-Doping-Kommission der UCI soll Fall Wiggins untersuchen

Aigle (dpa/rsn) - Der Radsport-Weltverband UCI will den Dopingverdächtigungen gegen Bradley Wiggins auf den Grund gehen. UCI-Präsident David Lappartient forderte, dass sich die unabhängige Anti-D

07.03.2018McQuaid kritisiert Sky: “Sie haben die Leute in die Irre geführt“

(rsn) - Der ehemalige UCI-Präsident Pat McQuaid hat sich der immer länger werdenden Reihe der Kritiker des Sky-Teams von Tour-Sieger Chris Froome angeschlossen und als Reaktion auf den am Montag ver

07.03.2018Froome: “Ich bin wirklich stolz, Teil dieses Teams zu sein“

(rsn) - Chris Froome (Sky) war in der Pressekonferenz am Vorabend von Tirreno - Adriatico ein begehrter Gesprächspartner. Doch kaum einer der Journalisten interessierte sich am Dienstag für sportlic

06.03.2018UCI will TUE-System weiter verbessern

(rsn) - Der Radsport-Weltverband UCI hat mit einem Statement auf seiner Website auf den Bericht eines Sonderausschusses des britischen Parlaments reagiert, in dem am Montag der mögliche Missbrauch de

06.03.2018Wiggins: “Ich habe zu hundert Prozent niemals betrogen“

London (dpa/rsn) - Bradley Wiggins hat erneut Dopingverdächtigungen gegen ihn scharf zurückgewiesen. In einem Interview des Senders BBC sprach der Brite zum wiederholten Mal von einer "Hexenjagd" un

05.03.2018Wiggins soll TUE zur Leistungssteigerung verwendet haben

(rsn) - Bradley Wiggins soll nach einem britischen Untersuchungsbericht bei seinem Tour-de-France-Sieg 2012 eine medizinische Ausnahmegenehmigung (Therapeutic Use Exemption, TUE) missbräuchlich einge

02.03.2018Sky-Teamarzt Freeman soll Testosteronpflaster bestellt haben

(rsn) - Für das Team Sky wird die Luft immer dünner: Nach einem Bericht der britischen "Daily Mail" soll der ehemalige Teamarzt Richard Freeman im Jahr 2011 für den britischen Radsport-Verband sowi

20.12.2017Thomas gegen TUE und eine zweite Chance für Doper

(rsn) - Geraint Thomas hat sich in der Frage der heftig diskutierten Medizinischen Ausnahmegenehmigungen (Therapeutic Use Exemption, TUE) deutlich positioniert. "Warum schaffen wir nicht einfach alle

Weitere Radsportnachrichten

13.05.2024Mit Rouvy Grand-Tour-Recon im Wohnzimmer?

(rsn) - Analoge und digitale Welten verschränken sich immer mehr, auch beim Radsport. Auf besondere Weise dreht Rouvy mittlerweile die Schraube weiter. Auf der 2017 von den Brüdern Petr und Jiri Sam

13.05.2024Bergankunft Nr. 3: Kurze Etappe, langer Schlussanstieg

(rsn / ProCycling) – Schon in der ersten Woche des 107. Giro d´Italia hat es Ausreißversuche gegeben, die von Erfolg gekrönt waren. Doch erst die 10. Etappe durch den südlichen Apennin weist ein

13.05.2024Erholter Démare kehrt in Dünkirchen ins Feld zurück

(rsn) – Nachdem er aufgrund von Erschöpfungserscheinungen seine Klassikerkampagne bereits nach Gent-Wevelgem am 27. März hatte beenden müssen, kehrt Arnaud Démare (Arkéa - B&B Hotels) in seiner

13.05.2024Thomas kritisiert Neapels Straßen: “War ein absolutes Gemetzel“

(rsn) – Ein astreiner Massensprint und breite Straßen auf den letzten Kilometern: Auf den ersten Blick war das Finale der 9. Etappe beim Giro d´Italia in Neapel nichts Besonderes. Doch im Peloton

13.05.2024Die letzten Hügel taten Milans Beinen weh

(rsn) – Im vergangenen Jahr musste sich Jonathan Milan in Neapel am Ende der damaligen 6. Giro-Etappe Mads Pedersen geschlagen geben. Damals stand der Italiener noch bei Bahrain Victorious unter Ver

13.05.2024Bringt der Flèche du Sud den erhofften “Bumms“?

(rsn) - Gleich fünf der neun deutschen Kontinental-Teams waren in der vergangenen Woche beim Fléche du Sud (2.2) dabei. In Luxemburg standen sie allerdings zumeist im Schatten ihrer für internatio

12.05.2024Trotz widriger Umstände rast Kooij beim Giro zum ersten Sieg

(rsn) - Die ersten beiden Massensprints des diesjährigen Giro d’Italia (2. UWT) liefen nicht nach dem Geschmack von Olav Kooij und seinem Team Visma – Lease a Bike. Doch die dritte Chance konnte

12.05.2024Krieger bei Sturz auf 9. Giro-Etappe schwer verletzt

(rsn) – Nach einem schweren Sturz im Finale der 9. Etappe musste Alexander Krieger mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Wie sein Team Tudor am Abend auf X mitteilte, sei der St

12.05.2024Auch ohne Sieg ist Buchmann ein Gewinner der Ungarn-Rundfahrt

(rsn) – Den Frust über seine Giro-Ausbootung hat Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) in viel Angriffslust umgewandelt. Nachdem er bereits am 1. Mai bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) mit einer offens

12.05.2024Kooj triumphiert im Sprint-Krimi von Neapel vor Milan

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat die 9. Etappe des 107. Giro d’Italia im Massensprint gewonnen. Nach 214 Kilometern mit Start in Avezzano und Ziel in Neapel jagte er auf den letzten

12.05.2024Flèche du Sud: Teutenberg-Team am Schlusstag auf 1-2-3

(rsn) – Der Flèche du Sud (2.2) ist für viele der deutschsprachigen Fahrer und Teams erfreulich zu Ende gegangen. Am Schlusstag feierte Tim Torn Teutenberg mit seinem Team Lidl – Trek Future Ra

12.05.2024Narvaez: “Manchmal klappt es und manchmal nicht“

(rsn) – Rund 30 Meter fehlten Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) im Finale der 9. Etappe des Giro d’Italia (2.UWT) – stattdessen ging der Sieg an Olav Kooij (Visma – Lease a Bike). Die letzte

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)