Mit dem Kopf durch die Wand in die WorldTour

Travis McCabe – Amerikas neuer Sprintstar?

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Travis McCabe – Amerikas neuer Sprintstar?"
Travis McCabe, der schnelle Amerikaner an der Seite von Politt, Greipel und Co bei der Israel Start-Up Nation | Foto: Cor Vos

26.12.2019  |  (rsn) - Selbst Nils Politt war bei den Gesprächen während des ersten Mannschaftstreffens der Israel Start-Up Nation im kroatischen Porec gespannt darauf, wie zwei andere Neuzugänge des neuen WorldTeams in ihrer Debütsaison abschneiden werden. Mit dem Kanadier James Piccoli, einem starken Allrounder, der keine einzige Rundfahrt im Jahr 2019 schlechter als auf Platz zwei abschloss, sowie dem US-Amerikaner Travis McCabe, Sprinter und Etappenzweiter bei der Kalifornien-Rundfahrt hinter Peter Sagan (Bora – hansgrohe), hat sich das Team aus Israel zwei in Europa eher unbekannte, aber interessante Fahrer in den Kader für 2020 geholt.

"Ich bin sehr gespannt auf ihre Performance in Europa. Es wird ein großer Schritt für sie, und ich bin neugierig, wie sie sich schlagen", erzählte Politt gegenüber radsport-news.com. Die beiden Nordamerikaner debütieren 2020 im eher schon reiferen Radsportalter, Piccoli mit 28, McCabe mit 30, auf der WorldTour. Vor allem der schnelle US-Amerikaner, der im letzten Jahr im Trikot des Teams von Floyd Landis fuhr, könnte ein interessanter Faktor für seine deutschen Teamkollegen sein. Schließlich soll er seine Schnelligkeit im Sprintzug von Andre Greipel einsetzen.

McCabe kommt aus Arizona, mag dadurch vor allem Hitzerennen, und gewann in seiner Karriere schon 13 Rennen, diese aber ausschließlich in den Vereinigten Staaten sowie in Asien und Australien. "Ich fühle, dass ich mich in den Vereinigten Staaten bewiesen habe und das will ich jetzt auch in Europa", berichtete er gegenüber radsport-news.com am Rande des Teamcamps in Porec.

In der Jugend war er Leichtathlet, fuhr mit seinen Freunden auf dem BMX Rad um die Wette und hatte nicht viel mit Radsport am Hut. Aufgewachsen ist McCabe in Prescott, einer 40.000 Einwohner großen Stadt, die auf 1.600 Metern liegt und mit Radsport nur einmal im Jahr etwas zu tun hat, wenn das Race Across America hier durchkommt. Über einen Schülerjob kam der Mitteldistanzläufer, dessen Spezialdisziplin die Bewerbe über 800 und 1.500 Meter waren, zum Radsport. "Ich habe in einem kleinen Radgeschäft zu arbeiten begonnen. Die Besitzer waren große Radfans, besitzen Räder von 1912 bis hin zu modernen High-End Rennrädern. Dort habe ich mich in den Sport verliebt", erinnerte sich McCabe.


Aufschwung durch Armstrongs Toursiege

Dort sah er den dänischen Dokumentarklassiker 'A Sunday In Hell' und verfolgte die großen Rennen wie die Tour de France: "Das war eine völlig neue Erfahrung für mich." In Frankreich dominierte damals ein gewisser Lance Armstrong das größte Radrrennen der Welt. "Als ich anfing, wussten wir nicht viel von der Geschichte um Lance. Ich habe aber die damaligen guten US-Fahrer nie als Helden angehimmelt und sie immer als Athleten gesehen", blickte McCabe zurück.

"Für uns junge Fahrer waren die Erfolge ein Funken Hoffnung, dass sich ein neuer Sport in den USA entwickeln kann. Wir sind damals 50 Meilen am Tag voll gefahren und haben dann die Etappen geschaut. So hat sich meine Liebe zum Radsport vertieft", erinnerte er sich. Als die Dopingaffäre immer weitere Kreise zog, fuhr McCabe schon auf der Kontinentalebene, später sogar für Armstrongs ehemalige Helfer George Hincapie (2016) und zuletzt für Floyd Landis (2019): "Sie haben alle ihre Vergangenheit in diesem Sport. Floyd hat es aber mehr als Engagement gesehen, dem Team den Sport zu helfen und seine Marke zu bewerben. Er war nicht viel in das Team involviert, war ein paar Rennen mit dabei und in den Teamcamps zu Gast", berichtete McCabe und fügte an: "Man sollte nicht jeden an seinen Fehlern messen. Bist du einmal der Bad Guy in Amerika, dann bleibst du es in der breiten Öffentlichkeit."

Er selbst hatte nach einem Highschooljahr versucht, seine Radkarriere durchzustarten. Mit der Unterstützung der Eltern ging es nach Tucson, wo eine größere Radcommunity als in Prescott auf ihn wartete. "Es war Glück, harte Arbeit und ich habe nie aufgegeben es mit dem Kopf durch die Wand zu versuchen, typisch amerikanisch halt“, schmunzelte McCabe. Über Stationen wie das Team SmartStop, Holowesko – Citadel, Unitedhealthcare und Floyd’s Pro Cycling Team schaffte er nun den Sprung in die Eliteliga des Radsports.

"Ich habe immer versucht, mich konsequent weiterzuentwickeln. Es ist schwierig in Nordamerika, weil der Rennstil einfach unterschiedlich zu dem in Europa ist. Wir fahren auf breiten Straßen und die Kraft spielt eine größere Rolle, aber als Sprinter bin ich gewöhnt, mich im Feld zu bewegen", erklärte er weiter. McCabe hofft, dass der Sprung in die WorldTour nicht zu groß für ihn sein wird. In den letzten Jahren sammelte er auch bei europäischen Rennen einiges an Erfahrung, wobei er an diese nicht immer die besten Erinnerungen hat.

Schmerzvolle Europaerfahrungen

"Als amerikanisches Team ist es immer ein hartes Willkommen in Europa", erzählte McCabe. Rennen hierzulande empfand er immer als große Auseinandersetzung mit den heimischen Teams, die ihr Territorium verteidigen zu versuchten: "Man spürt den Unterschied und man muss sich beweisen, darf aber nicht vergessen, die europäische Radkultur zu akzeptieren und auch zu respektieren."

Schmerzvoll erinnerte er sich an seinen letzten größeren Europarennblock 2018. Highlight war die Teilnahme am Scheldeprijs, die für ihn aber mit einer Gehirnerschütterung endete. Hart im Nehmen, fuhr er danach noch weitere Rennen, benötigte aber einige Zeit um sich davon zu erholen. "Wir Amerikaner haben sicher nicht die beste Reputation im Radsport. Es gibt viele Kletterer, aber kaum Sprinter. Der letzte war Tyler Farrar und ich denke, dass viele glauben die Amerikaner würden das Rad nicht so gut beherrschen können wie die Europäer", bemerkte McCabe, der mit Politt, Greipel und Rick Zabel auch drei deutsche Teamkollegen hat.

Auf die Zusammenarbeit mit dem Trio freut er sich schon: "Ich hoffe, dass ich bei den Klassikern Nils und Andre unterstützen kann. Das wird definitiv eine neue Challenge für mich.“ Den zweiten Platz von Politt in Roubaix hat er begeistert vor dem Fernseher verfolgt. "Er war fantastisch und ich bin ein riesiger Fan." Dass er den Hürther 2020 schon bei der Königin der Klassiker unterstützen wird, glaubt er aber noch nicht. "Ich habe immer von Roubaix geträumt, aber das wird im kommenden Jahr noch nicht realistisch sein. Rennen wie Strade Bianche oder die frühen Klassiker wie Gent-Wevelgem oder E3 BinckBank Classic würden mich reizen und auch der Giro. Ich will sehen, wie ich fahren kann, wenn der Körper der Belastung einer dreiwöchigen Rundfahrt ausgesetzt ist", so McCabe.

Fern der Heimat bei den "Gringos" in Girona untergekommen

Der Sprinter aus Arizona will in seinem Debütjahr vor allem gesund bleiben, von Rennen zu Rennen lernen und sich schnell im europäischen Feld anpassen, um besser zu werden. Seinem neuen Team ist er sehr dankbar über die Möglichkeit, in der WorldTour zu fahren: "Es wird ein hartes Jahr werden, aber hoffentlich können wir die Radsportwelt überraschen. Wir haben eine sehr gute Mannschaft." Seine eigenen Ziele und möglichen Leistungen, wollte er aber nicht einschätzen.

McCabes neuer Wohnsitz befindet sich mittlerweile in Girona in Katalonien, wo zahlreiche englischsprachigen Fahrer aus Nordamerika und Australien ihre Zelte aufgeschlagen haben: "Es ist der Mittelpunkt der Cycling-Gringos“, scherzte McCabe. Durch die Vielzahl an internationalen Profis dort fiele vor allem die Angewöhnung an Europa leichter, da man sich kenne und das Umfeld dadurch vertraut sei. "Es wird sicher auch schwere Zeiten geben. Man muss auch im Kopf gesund bleiben. Wir sind weit weg von unseren Familien und Freunden, müssen uns etwas völlig neues aufbauen in Europa. Wenn man daran scheitert, dann wird es extrem mühsam. Weil irgendwann ist der Körper fertig, dann der Kopf und dann beginnt die Abwärtsspirale", nannte McCabe die Schwierigkeiten, die auf ihn zukommen könnten.

Denn die Rückkehr in die Heimat gibt es nur bei wenigen Rennen wie den Nationalen Meisterschaften. "Durch die Absage der Kalifornien-Rundfahrt gibt es auch eine Möglichkeit weniger, in den USA zu fahren. Im August freue ich mich auf die Tour of Utah und mit dem Maryland Cycling Classic gibt es endlich auch wieder ein internationales Eintagesrennen in meiner Heimat", blickte McCabe voraus.

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