Bichlmanns Tour du Faso-Tagebuch

Eine Schar Journalisten hatte mir schon zum Sieg gratuliert...

Von Daniel Bichlmann

Foto zu dem Text "Eine Schar Journalisten hatte mir schon zum Sieg gratuliert..."
Wer war im Fotofinish vorne: Daniel Bichlmann (rechts) oder der Flame Niels Vandyck? | Foto: Stefan Brencher

01.11.2021  |  (rsn) - Auch zur 3. Etappe klingelte der Wecker früh (05:30 Uhr). Routiniert machten wir uns alle fertig für das Teilstück, das von Dedougou nach Koudougou über 142 Kilometer führte. Gestartet wurde wenig überraschend, abermals geprägt von unzähligen Attacken sehr flott, stolze 67 Kilometer legten wir in den ersten eineinhalb Rennstunden zurück.

Da ich mich heute besser - weitgehend akklimatisiert - fühlte, beteiligte ich mich rege am Renngeschehen. Nachdem ich mich bereits zur Etappenmitte in einer recht vielversprechenden Spitzengruppe wiederfand, die aufgrund der äußerst passiven Renntaktik der beiden nordafrikanischen Nationalmannschaften aus Algerien und Marokko nicht funktionieren konnte, sollte es nach einer Vorentscheidung durch das Team aus dem Mutterland des Radsports, aus Flandern, besser klappen. Mit weiteren zehn Fahrern löste ich mich vom geschrumpften Peloton. Wenig überraschend verweigerten auch hier die vier Fahrer der genannten Teams kategorisch jegliche Führungsarbeit.

Letztendlich erzwangen die beiden Belgier mit guter Taktik eine weitere Selektion und da waren es nur noch Drei (ein Marokkaner, ein Belgier und meine Wenigkeit). Auf den letzten fünf Kilometern vor dem Ziel sollte jene Zweckgemeinschaft mehr oder weniger harmonieren, um den Tagessieg unter sich ausmachen zu können. Im Sprint zwischen uns Dreien sollte es dann auf ein super knappes Photofinish hinauslaufen.

Es waren der Belgier Niels Vandyck und ich, welche praktisch gleich auf der Linie waren. Erst dachte ich, der Belgier wäre geringfügig im Vorteil gewesen, jedoch wurde ich schnell von einer Schar Journalisten umgeben, welche mir zum Sieg gratulierten. Nach dem ich alle Interviews auf französisch mangels Sprachkenntnissen ablehnen musste, wurde im Lautsprecher der Flame zum Sieger gekürt. Eine kurze Fotoauswertung beim mitgereisten Profi-Fotografen des Embrace The World Teams sollte mich jedoch als Sieger zu zeigen glauben.

Nach einigen fragenden Blicken und Gesprächen wurde dann das Zielfoto des Veranstalters herangezogen und hier war wiederum der Belgier vorne zu vermuten.

So wurde ich also auf den zweiten Platz gesetzt und muss die Entscheidung der Jury anerkennen. Gefreut hätte es mich natürlich schon enorm, gerade am Ende einer langen ersten Saison mit den Maloja Pushbikern als Dank für deren enorme Unterstützung in der Heimat einen späten ersten Saisonsieg (wenn auch im fremden dunkelblauen Trikot) nach Bayern zu holen.

Die Problematik ungeheuer knapper, unklarer Zieleinläufe wurde in diesem Jahr ja bereits beim Amstel Gold Race mit fraglos prominenteren Beteiligten deutlich.

Vielleicht ergibt sich ja die nächsten sieben Tage nochmals eine günstige Rennsituation, um doch noch einen Tagesabschnitt für mich entscheiden zu können. Ob Etappensieg oder nicht, es wird nichts daran ändern, das 120cm Bett mit meinem Freund und Teamkollegen auf Zeit unter einem gemeinsamen Moskitonetz zu teilen. Auch sind die Eindrücke von Land und Leuten absolut unbezahlbar und werden mich nach meiner letzten Teilnahme vor neun Jahren mein Weltbild weiter festigen, wie privilegiert wir doch sind und leider bei weitem nicht dankbar genug für die Lebensumstände in der Heimat sind.

Wer von den Lesern will, kann sich ja von Stefan Brenchers Momentaufnahme selbst eine Meinung machen, welchen der beiden Rennfahrer ihr im Vorteil sehen würdet.

Viele Grüße

Daniel

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.11.2021Schlaglöcher, neue Freunde und ein unerwünschtes Souvenir

(rsn) - Die seit 1987 ausgetragene Tour du Faso ist Afrikas größtes Radrennen und gilt als kleinere - und sympathischere - Tour de France! Aber wollte ich das wirklich? Nochmal diese Strapazen wie

10.11.2021“Ich bin unerwartet auf meinen persönlichen Olymp geklettert“

(rsn) - Mit dem Gesamtsieg bei der Tour du Faso hat Daniel Bichlmann den größten Erfolg seiner Laufbahn gefeiert. Gegenüber radsport-news.com äußerte sich der 33-Jährige von den Maloja Pushbiker

08.11.2021Es ist vollbracht!

(rsn) - Leider habe ich gestern wirklich keine freie Minute gefunden, meinen Triumph zu genießen oder gar Tagebuch zu führen. Erst auf dem Heimflug konnte ich nochmals einige Gedanken sammeln und mÃ

06.11.2021Das Gelbe Trikot bleibt fest auf meinen Schultern

(rsn) - Morgens alles wie immer. Ich frühstücke alleine auf meinem Zimmer auf dem Schaumstoff-Stück, das als Matratze dient. Haferflocken mit Wasser und etwas Eiweißpulver gibt es. Kulinarisch ei

06.11.2021Ausreißer-Tag spielt Bichlmann in die Karten: Führung verteidigt

(rsn) - In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour.Tour du

06.11.2021Das Undenkbare - der Gesamtsieg - ist zum Greifen nahe

(rsn) - 05:15 Uhr - üblicher früher Weckruf durch unseren sportlichen Leiter „JJ“. Selbst einen Wecker stellen würde keinen Sinn machen - der Tagesplan obliegt bis in die Nacht aus unerfindlic

05.11.2021Von der 15.000-Euro-Maschine zum selbstgebauten Holz-Auflieger

(rsn) - "Sind die bescheuert?" Mein erster Gedanke des Tages. Noch schläfrig mit halbgeöffneten Augen, dann aber auch anstelle eines "Guten Morgen" so ausgesprochen. 34 Grad hat es draußen - im Zim

05.11.2021Bichlmann rückt im Teamzeitfahren auf Gesamtrang 4 vor

(rsn) - In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour. Tour d

03.11.2021Es wurde mit Rädern regelrecht aufeinander eingedroschen

(rsn) - Früh morgens um halb sechs schlemme ich mich durch alle Leckereien: Vollkornbrot, Erdnussbutter, Nutella, Porridge mit Apfelmus, Café mit Sahne. Natürlich alles selbst von zu Hause mitge

02.11.2021Dank des Einmaleins des Sprints den Sieg eingefahren

(rsn) - Höt esch de Start mou usnahmswis früecher gse aus ahköndet. Im Jan Freuler wär das fasch zom verhängniss worde. Chorz vorem Start heder no mösse ofs Ersatzvelo wächsle, wöu ah sim eig

02.11.2021Das Rennen auf der Felge zu Ende gefahren

p> (rsn) - Auf der 4. Etappe standen zwischen Laye und Ouahigouya 156km auf dem Programm. Es ging dabei in den nördlichsten Teil des zentralafrikanischen Binnenlandes. Hier in der staubtrockenen Sava

01.11.2021Bichlmann mit nächster Spitzenplatzierung

(rsn) – In der Rubrik Ergebnisse liefern wir in kompakter Form und unmittelbar nach Zieleinlauf einen kurzen Überblick über die Ergebnisse der wichtigsten UCI-Rennen unterhalb der WorldTour. Tou

Weitere Radsportnachrichten

14.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

13.05.2024Bergankunft Nr. 3: Kurze Etappe, langer Schlussanstieg

(rsn / ProCycling) – Schon in der ersten Woche des 107. Giro d´Italia hat es Ausreißversuche gegeben, die von Erfolg gekrönt waren. Doch erst die 10. Etappe durch den südlichen Apennin weist ein

13.05.2024Martinez und Bora wollen nicht nur Platz 2 verteidigen

(rsn) – Sollte der Status Quo beim Giro d´Italia auch nach der Schlussetappe in Rom noch Bestand haben, so wäre man bei Bora – hansgrohe sicher zufrieden. Ein zweiter Gesamtplatz mit Kapitän Da

13.05.2024Schachmann: Etappenjäger in wichtiger Doppelfunktion

(rsn) – Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hat sich von seinem Sturz 58 Kilometer vor dem Ziel der 9. Etappe beim Giro d´Italia bereits recht gut erholt. Das bestätigte der 30-Jährige am

13.05.2024Mit Rouvy Grand-Tour-Recon im Wohnzimmer?

(rsn) - Analoge und digitale Welten verschränken sich immer mehr, auch beim Radsport. Auf besondere Weise dreht Rouvy mittlerweile die Schraube weiter. Auf der 2017 von den Brüdern Petr und Jiri Sam

13.05.2024Erholter Démare kehrt in Dünkirchen ins Feld zurück

(rsn) – Nachdem er aufgrund von Erschöpfungserscheinungen seine Klassikerkampagne bereits nach Gent-Wevelgem am 27. März hatte beenden müssen, kehrt Arnaud Démare (Arkéa - B&B Hotels) in seiner

13.05.2024Thomas kritisiert Neapels Straßen: “War ein absolutes Gemetzel“

(rsn) – Ein astreiner Massensprint und breite Straßen auf den letzten Kilometern: Auf den ersten Blick war das Finale der 9. Etappe beim Giro d´Italia in Neapel nichts Besonderes. Doch im Peloton

13.05.2024Die letzten Hügel taten Milans Beinen weh

(rsn) – Im vergangenen Jahr musste sich Jonathan Milan in Neapel am Ende der damaligen 6. Giro-Etappe Mads Pedersen geschlagen geben. Damals stand der Italiener noch bei Bahrain Victorious unter Ver

13.05.2024Bringt der Flèche du Sud den erhofften “Bumms“?

(rsn) - Gleich fünf der neun deutschen Kontinental-Teams waren in der vergangenen Woche beim Fléche du Sud (2.2) dabei. In Luxemburg standen sie allerdings zumeist im Schatten ihrer für internatio

12.05.2024Trotz widriger Umstände rast Kooij beim Giro zum ersten Sieg

(rsn) - Die ersten beiden Massensprints des diesjährigen Giro d’Italia (2. UWT) liefen nicht nach dem Geschmack von Olav Kooij und seinem Team Visma – Lease a Bike. Doch die dritte Chance konnte

12.05.2024Krieger bei Sturz auf 9. Giro-Etappe schwer verletzt

(rsn) – Nach einem schweren Sturz im Finale der 9. Etappe musste Alexander Krieger mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Wie sein Team Tudor am Abend auf X mitteilte, sei der St

12.05.2024Auch ohne Sieg ist Buchmann ein Gewinner der Ungarn-Rundfahrt

(rsn) – Den Frust über seine Giro-Ausbootung hat Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) in viel Angriffslust umgewandelt. Nachdem er bereits am 1. Mai bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) mit einer offens

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • 4 Jours de Dunkerque / Grand (2.Pro, FRA)
  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)