Interview zum Rücktritt

Ralf Grabsch: "Es war eine Kopf- und Bauchentscheidung"

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Ralf Grabsch (Milram)

Foto: ROTH

16.10.2008  |  (rsn) - Nach 13 Jahren hat Ralf Grabsch (Milram) am Freitag seine aktive Karriere beendet. Im Interview mit Radsport News erläutert der ältere Bruder von Zeitfahrweltmeister Bert Grabsch die Gründe seines vorzeitigen Rücktritts, erinnert sich an seine schönsten und schlimmsten Momente als Profi und erklärt, was er künftig als Sporlticher Leiter bei Milram den jungen Fahrern vermitteln will.

Sie hatten noch ein Jahr Vertrag und sind noch in guter Form - warum jetzt schon der Rücktritt?

Ralf Grabsch: Ich habe nach der Tour de France ein Angebot von Gerry Van Gerwen bekommen, künftig im spoortlichen Bereich des Milram-Managements zu arbeiten. Ich habe das dann mit meiner Familie besprochen, wir haben Pro und Contra gegeneinander abgewogen und nach der Deutschland Tour habe ich mich dann entscheiden, das Angebot anzunehmen. Ich hätte noch eine Saison fahren können, aber ich weiß nicht, ob ich jedes Jahr so ein Angebot bekomme. Und ich muss ja auch an meine Zukunft denken.

War es also eine “Kopfentscheidung“, wären Sie gerne noch ein Jahr gefahren?

Grabsch: Es war eine Entscheidung, die mir nach dem guten Jahr zwar nicht leichtgefallen ist, aber zu der ich jetzt hundertprozentig stehe. Eine “Kopf- und Bauchentscheidung“, wenn man so will. Anders ginge das auch nicht. Ich würde sonst im nächsten Frühjahr mit Herzbluten im Begleitfahrzeug sitzen.

Gibt es noch ein Abschiedsrennen?

Grabsch: Meine Freunde aus meinem Heimatverein und meinem Fanclub haben schon gesagt, dass es schade wäre, wenn es kein Abschiedsrennen gäbe. Ich schätze, die werden das dann nächstes Jahr organisieren. Aber aus der Planung halte ich mich raus.

Sie waren 13 Jahre Profi - was waren die schönsten Momente?

Grabsch: Am schönsten sind vielleicht gar nicht mal die Siege gewesen, sondern Rennen wie die Vuelta 1999, die Jan Ullrich gewonnen hat und wo ich als Helfer meinen Teil dazu beitragen konnte, nachdem ich kurzfristig noch ins Team gerutscht bin. Dann meine erste Tour-Teilnahme 2006, als ich beim Prolog in Straßburg auf der Startrampe stand. Die Tour ist eben das größte Ziel für jeden Profi. Und dann war da im letzten Jahr mein Lieblingsrennen Paris-Roubaix, als ich 30km allein vorneweg fuhr und am Ende Fünfzehnter wurde. Nach dem Rennen erhielt ich soviel Zuspruch wegen meiner Solofahrt, vor allem von Italienern – damals war Milram noch ein italienisches Team -, das war schon ein sehr schönes Gefühl 

Und die schlimmsten?

Grabsch: Das waren zwei Stürze bei der Tour de France: im letzten Jahr auf der Abfahrt vom Col d’Izoard, als ich mir meine ganze linke Seite aufriss; und in diesem Jahr nach der letzten Pyrenäenetappe, als ich auf dem Weg von der Bergankunft zum Hotel von einem rücksichtslosen, besoffenen Fan von hinten umgefahren wurde – und der Kerl ist einfach weitergefahren. Ich überschlug mich mehrmals, zog mir starke Prellungen am ganzen Körper zu und hatte danach eine Woche langen jeden Tag zu kämpfen, überhaupt ins Ziel zu kommen.

Welches Rennen hätten Sie gerne gewonnen?

Grabsch: Ganz klar Paris-Roubaix. Als zweiter Deutscher nach Josef Fischer, der 1896 bei der ersten Austragung siegte, das Rennen zu gewinnen - das wäre was gewesen.

Sie galten immer als zuverlässiger Helfer. Sind Sie im Rückblick mit Ihrer Rolle zufrieden?

Grabsch: Eindeutig ja. Es gibt nicht viele Fahrer, die so hart arbeiten und speziell bei großen Rundfahrten so schnell regenerieren können. Ich finde, das hat mich ja gerade ausgezeichnet. Das sahen auch meine Teamleitungen so und haben das honoriert. Ich bin schon zufrieden mit meiner Rolle, auch weil ich ja meine Freiheiten bekam. Natürlich hätte ich gerne noch das eine oder andere Rennen gewonnen, ich hab’s ja auch immer wieder probiert, vor allem in meinen Jahren bei Milram. Aber ich habe halt nie die richtige Gruppe erwischt.

Sie waren bei allen größeren deutschen Teams. Wo hat es Ihnen am besten gefallen?

Grabsch: Das kann ich nicht sagen. Es war überall anders schön. Bei den kleineren Teams wie Wiesenhof ging es familiärer zu, aber ich habe mich auch bei den großen Mannschaften wie Telekom und zum Schluss bei Milram wohlgefühlt. Das Milram-Blau stand mir besonders gut, vielleicht habe ich auch deshalb hier so einen guten Abschluss gehabt. 

Ihr Name wurde nie im Zusmmenhang mit Doping genannt. Wie erfolgreich konnte/kann man als sauberer Leistungssportler sein - kann man große Rennen gewinnen?

Grabsch: Eintagesrennen kann man definitiv auch ungedopt gewinnen. Ich kann von mir sagen, dass ich meine ganze Karriere sauber gefahren bin und das Maximum dabei rausgeholt habe. Und einige Erfolge hatte ich ja auch. Für mich ist aber wichtig, dass ich in Zukunft nicht befürchten muss, dass mein Körper verrückt spielt, weil ich irgendwelche Sachen zu mir genommen habe.

Nach dem Fall Schumacher steht der deutsche Profiradsport mit dem Rücken zur Wand. Wie sehen Sie die Zukunft?

Grabsch: Ich hoffe, dass der Tiefpunkt endlich erreicht ist, dass es endlich wieder bergauf geht mit dem deutschen Radsport. Wir bräuchten wieder ein ProContinental-Team, wie es Wiesenhof früher war und auch eine zweite ProTour-Mannschaft neben Milram. Es wäre wichtig, dass sich ein neuer großer Sponsor im Radsport engagiert, denn trotz aller Probleme ist es eine sehr schöne Sportart, die einfach Spaß macht.

Was werden Sie als Sportlicher Leiter an die jungen Fahrer weitergeben?

Grabsch: Dass sie hart an sich arbeiten müssen, dass sie viel trainieren müssen, dass sie sich im Rennen nicht verstecken können. Am Berg kann man nun mal nicht die Beine hochnehmen und von alleine hochrollen. Ich will den Fahrern aber auch vermitteln, dass sie ihren Weg gehen müssen und trotzdem Spaß am Sport haben können.

Das Team wird ein ganz neues Gesicht haben im nächsten Jahr. Was trauen Sie der runderneuerten Mannschaft zu?

Grabsch: Ich denke, wir sind gut aufgestellt. Wir werden bei allen Rennen die Chance haben vorne dabei zu sein. Wir haben Fahrer für kleine Rundfahrten, endschnelle Fahrer und auch für Eintagesrennen.

Gerald Ciolek und Linus Gerdemann sind die Wunschkandidaten von Teamchef Van gerwen. Ciolek wird wohl kommen, aber Columbia möchte Gerdemann behalten. Wie wichtig wäre es, dass im nächsten Jahr beide im Milram-Trikot fahren?

Grabsch: Wenn die beiden zu uns kommen würden, wäre das für uns natürlich großartig. Sowohl Gerdemann als auch Ciolek sind junge Fahrer, die ganz genau wissen, was sie wollen. Mit den beiden im Team würden wir sicher schöne Rennen erleben.

Mit Ralf Grabsch sprach Matthias Seng.

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