Watterotts Mailand-San Remo-Retrospektive

La Classicissima - lange Fahrt in den Frühling / Teil 2

Von Herbert Watterott

Foto zu dem Text "La Classicissima - lange Fahrt in den Frühling  / Teil 2"
Herbert Watterott Foto: ROTH

20.03.2014  |  (rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich - Bastogne-Lüttich und Lombardei-Rundfahrt (Il Lombardia) und schildert die spannendesten und außergewöhnlichsten Episoden dieser größten Klassiker des internationalen Radsport-Kalenders.

Mailand-San Remo / Teil 2

1936 – Sturz – Beinbruch – Karriereende
Der große Italiener Alfredo Binda muss seine lange und ruhmreiche Laufbahn mit einem Beinbruch nach einem Sturz in Richtung San Remo beenden. Binda wird dreimal Straßen-Weltmeister, gewinnt viermal die Lombardei-Rundfahrt und zweimal Mailand – San Remo.

1946 – Fausto Coppi als „Alleinunterhalter“
Nachdem das Rennen in den beiden letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges 1944 und 1945 nicht ausgetragen werden kann, setzt ein Jahr später Fausto Coppi die seit 1935 andauernde Siegesserie italienischer Radprofis eindruckvoll fort. Nach der Hälfte des 292 Kilometer langen Rennens reißt Coppi nach der Hälfte der Distanz am Turchino-Pass (532 ü.M.) aus und erreicht San Remo nach einer Soloflucht über 146 Kilometer als umjubelter Sieger mit 14 Minuten Vorsprung vor dem Franzosen Lucien Teisseire. Er fügt seinem Triumph 1948 und 1949 noch zwei weitere Siege hinzu und rückt hinter seinen Landsmann Costante Girardengo (sechs Siege) zusammen mit seinem Widersacher Gino Bartali (drei Siege) auf Platz zwei der Siegerliste vor.

1949 - Die legendäre Zielgerade in San Remo
Nach wechselnden Zielankünften in San Remo beschließt die Rennleitung eine neue Zielstrecke. Die Fahrer biegen von der Via Aurelia auf den Corso Cavallotti ein, dann folgt ein Linksknick in die Via Fiume, eine Rechtskurve auf den Corso Raimondo, und dann erlebt die breite Via Roma bis heute das Finale von Mailand – San Remo.

1954 – Erstmals TV-Bilder
Im Jahr, als Deutschland am 4.Juli durch einen 3:2 Sieg über Ungarn im Berner Wankdorf-Stadion erstmals Fußball-Weltmeister wird, gibt es bei Mailand – San Remo eine weitere Premiere. Die letzten 300 Meter auf der Via Roma werden in bewegten Schwarz-Weiß-Bildern aufgenommen und im italienischen Fernsehen RAI ausgestrahlt. Der Sieger heißt Rik van Steenbergen, und es ist der vierte Sieg eines Belgiers. 1956 gewinnt ein weiterer Belgier, Alfred De Bruyne. Es wird eine Eurovisions-Sendung als Direktübertragung in verschiedene Länder ausgestrahlt.

1957 – Spanische Fiesta in Italien
Erst nach 50 Jahren gibt es den ersten spanischen Erfolg. Der bullige Sprinter Miguel Poblet behält in einem faszinierenden Spurt gegen Alfred De Bruyne aus Belgien und dem Briten Brian Robinson die Oberhand. Eine lange Durststrecke ist damit beendet. Er wiederholt zwei Jahre später seinen Erfolg auf der Via Roma.

1960 – Erstmals der Poggio di San Remo
Es ist nur ein kleiner Hügel, 160 Meter über dem Meer gelegen, etwa sechs Kilometer vor dem Ziel in San Remo, übersät von Gewächshäusern, in denen die Blumen gezüchtet und in die ganze Welt verschickt werden. Nach unzähligen Massenspurts, auch nach fast 300 Milometern, nimmt der charismatische Renndirektor Vincenzo Torriani diesen rund vier Kilometer langen Anstieg erstmalig in die Strecke mit auf, um eine vorzeitige Selektion auf den 22 Kurven hinunter ins Zentrum von San Remo herbeizuführen. Erster Fahrer, der den Kulminationspunkt erreicht, ist 1960 der spätere Tour-Sieger Gastone Nencini.

1963 – Rolf Wolfshohl um Haaresbreite unterlegen
Die knappste Entscheidung spielt sich zwischen Rolf Wolfshohl aus Nackhausen bei Seelscheid und der Franzosen Joseph Groussard ab. Beide überqueren gleichzeitig den Zielstrich. Aber nur fast. Das Zielfoto muss Aufschluss geben. Die Jury entscheidet sich für Wolfshohl als Sieger. Der Rennstall Pelforth, Arbeitgeber von Groussard legt Protest ein und bekommt Recht: Joseph Groussard Erster, Rolf Wolfshohl Zweiter.
Und diese Reihenfolge ist korrekt. Bei der Zusammenstellung eines Rückblicks habe ich mir später unzählige Male den Einlauf in Zeitlupe, sogar in Super-Zeitlupe mit Standbild auf dem weißen Zielstrich angesehen. Groussard vor Wolfshohl. Wie gesagt: „ um Haaresbreite“….

1966 – 1976 – Die Ära des Kannibalen
Nach der Dominanz von Costante Girardengo zwischen 1918 und 1928, als der Italiener innerhalb vor nur zehn Jahren sechs Siege in überlegener Manier herausfährt, dauert es fast 40 Jahre, bis erneut eine Ausnahmeerscheinung des Radsports die Konkurrenz beherrscht und zum neuen Rekordhalter aufsteigt.br> Der unersättliche Eddy Merckx gewinnt den ersten Frühjahrsklassiker innerhalb von zehn Jahren sogar sieben Mal. Sein französischer Profikollege Christian Raymond erfindet für Merckx den Spitznamen „Der Kannibale“, weil der Belgier in seiner Laufbahn sage und schreibe 525 Siege verbucht, darunter fünf Tour de France- und Giro d’ Italia Gesamterfolge sowie drei Straßen-Weltmeisterschaften.

1968 – Der erste deutsche Sieg auf der Via Roma
61 Jahre sind seit der Premiere im Jahr 1907 bereits vergangen und noch nie hat ein Deutscher dieses prestigeträchtige Rennen gewonnen. Aber einen Tag nach seinem Geburtstag macht sich Rudi Altig selbst das schönste Geschenk. In einem packenden Endspurt besiegt der gebürtige Mannheimer den Franzosen Charly Grosskost und Adriano Durante aus Italien. Eine Sensation!

Teil 3 folgt!

Herbert Watterott ist einer der bekanntesten deutschen Radsportjournalisten. Der Rheinländer berichtete unter anderem von 1965 an 41 Mal für die ARD von der Frankreich-Rundfahrt und war für viele in Deutschland die „Stimme der Tour“. Seine Beschreibungen der einzelnen Etappen im TV hatten Kultstatus. Seit 2006 ist der mittlerweile 72-Jährige im Ruhestand, dem Radsport bleibt Watterott aber bis heute eng verbunden.


Mehr Informationen zu diesem Thema

04.10.2014Triumphe des „Kamels“ und des „kleinen Prinzen"

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-LÃ

03.10.2014Sieg durch 28 hartgekochte Eier und der Tag der Gemse

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-LÃ

02.10.2014Premiere im November und Chaos in Mailand

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-LÃ

22.07.2014Die dunkelsten Stunden der Tour

(rsn) - Nach dem zweiten Ruhetag steht am Dienstag die längste Etappe der diesjährigen Tour de France auf dem Programm. Das 16.Teilstück von Carcassonne nach Bagnères-de-Luchon ist 237,5 Kilometer

25.04.2014Der schwerste Klassiker auf dem schönsten Kurs / Teil 3

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-LÃ

24.04.2014Der schwerste Klassiker auf dem schönsten Kurs / Teil 2

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-LÃ

24.04.2014Der schwerste Klassiker auf dem schönsten Kurs / Teil 1

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-LÃ

12.04.2014An einem Sonntag in der „Hölle“ / Teil 3

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüt

11.04.2014An einem Sonntag in der „Hölle“ / Teil 2

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüt

10.04.2014An einem Sonntag in der „Hölle“ / Teil 1

(rsn) - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüt

06.04.2014Von Löwen, Gladiatoren und Glorreichen / Teil 3

(rsn - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lütt

03.04.2014Von Löwen, Gladiatoren und Glorreichen / Teil 2

(rsn - Auf radsport-news.com beleuchtet Herbert Watterott in dieser Saison die lange Geschichte der fünf Radsportmonumente Mailand-San Remo, Flandern-Rundfahrt, Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lütt

Weitere Radsportnachrichten

14.05.2024Pogacar rechnet in zweiter Giro-Hälfte mit Attacken seiner Gegner

(rsn) – Angesichts des deutlichen Vorsprungs von 2:40 Minuten auf den zweitplatzierten Daniel Martinez (Bora – hansgrohe) und in überlegener Manier herausgefahrenen drei Etappensiegen zweifelt ka

14.05.2024Kooij, Kanter und Vernon nicht mehr beim Giro dabei

(rsn) – Die Fraktion der Sprinter beim Giro d’Italia ist nach dem ersten Ruhetag um gleich drei Namen geschrumpft. Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Max Kanter (Astana Qazaqstan) und Ethan Vern

14.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 10. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

14.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

13.05.2024Bergankunft Nr. 3: Kurze Etappe, langer Schlussanstieg

(rsn / ProCycling) – Schon in der ersten Woche des 107. Giro d´Italia hat es Ausreißversuche gegeben, die von Erfolg gekrönt waren. Doch erst die 10. Etappe durch den südlichen Apennin weist ein

13.05.2024Martinez und Bora wollen nicht nur Platz 2 verteidigen

(rsn) – Sollte der Status Quo beim Giro d´Italia auch nach der Schlussetappe in Rom noch Bestand haben, so wäre man bei Bora – hansgrohe sicher zufrieden. Ein zweiter Gesamtplatz mit Kapitän Da

13.05.2024Schachmann: Etappenjäger in wichtiger Doppelfunktion

(rsn) – Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hat sich von seinem Sturz 58 Kilometer vor dem Ziel der 9. Etappe beim Giro d´Italia bereits recht gut erholt. Das bestätigte der 30-Jährige am

13.05.2024Mit Rouvy Grand-Tour-Recon im Wohnzimmer?

(rsn) - Analoge und digitale Welten verschränken sich immer mehr, auch beim Radsport. Auf besondere Weise dreht Rouvy mittlerweile die Schraube weiter. Auf der 2017 von den Brüdern Petr und Jiri Sam

13.05.2024Erholter Démare kehrt in Dünkirchen ins Feld zurück

(rsn) – Nachdem er aufgrund von Erschöpfungserscheinungen seine Klassikerkampagne bereits nach Gent-Wevelgem am 27. März hatte beenden müssen, kehrt Arnaud Démare (Arkéa - B&B Hotels) in seiner

13.05.2024Thomas kritisiert Neapels Straßen: “War ein absolutes Gemetzel“

(rsn) – Ein astreiner Massensprint und breite Straßen auf den letzten Kilometern: Auf den ersten Blick war das Finale der 9. Etappe beim Giro d´Italia in Neapel nichts Besonderes. Doch im Peloton

13.05.2024Die letzten Hügel taten Milans Beinen weh

(rsn) – Im vergangenen Jahr musste sich Jonathan Milan in Neapel am Ende der damaligen 6. Giro-Etappe Mads Pedersen geschlagen geben. Damals stand der Italiener noch bei Bahrain Victorious unter Ver

13.05.2024Bringt der Flèche du Sud den erhofften “Bumms“?

(rsn) - Gleich fünf der neun deutschen Kontinental-Teams waren in der vergangenen Woche beim Fléche du Sud (2.2) dabei. In Luxemburg standen sie allerdings zumeist im Schatten ihrer für internatio

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • 4 Jours de Dunkerque / Grand (2.Pro, FRA)
  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)