Mayers Kolumbien-Tagebuch / 9. Etappe

Vanilleduft oder Sinnestäuschung?

Von Yannick Mayer

Foto zu dem Text "Vanilleduft oder Sinnestäuschung?"
Yannick Mayer (Bike Aid) | Foto: Bike Aid

16.08.2014  |  (rsn) - Heute darf ich leider nur noch von vier aktiven Bike Aid Fahrern berichten. Wie es sich bereits gestern Abend angedeutet hat, konnte Richard nicht mehr zur 9. Etappe antreten. Nach einer schlaflosen Nacht und immer noch von Magenkrämpfen geplagt, stieg er heute nicht mehr aufs Rad.

Trotzdem habe ich großen Respekt vor seiner Leistung. Drei Tage im Trikot für den besten Fahrer eines ausländischen Teams und jeden Tag über dem Limit fordern eben ihren Tribut. Zumal Richard noch nicht viele UCI-klassifizierte Renntage in seiner Karriere absolviert hat und als Zeitfahrspezialist immer noch Straßen-Lehrling ist.

Wir verbliebenen Vier wurden vom Präsidenten der Rundfahrt dazu beglückwünscht, noch im Rennen zu sein und dazu ermutigt, doch bitte weiterzukämpfen. Wie sich später herausstellte, hatte die argentinische Nationalmannschaft im letzten Jahr zur selben Zeit nur noch einen Fahrer im Rennen und davon waren die Organisatoren alles andere als begeistert.

Wir schwangen uns also zum inzwischen neunten Mal auf unsere Carbonrösser und los ging es. Der erste Teil der Etappe war die gestrige Bergankunft, nur eben als Abfahrt. Es ist schon gefährlich, die ersten Meter der Etappe bei Geschwindigkeiten zwischen 70 und 80 km/h im Feld zu absolvieren, erst recht bei solchen Straßenverhältnissen, wie wir sie hier vorfinden. Ich wäre übrigens stark dafür, dass die UCI endlich den Einsatz von Scheibenbremsen im Straßenradsport erlaubt.

Auf einem 2000€-Laufradsatz zu bremsen und ihn damit zum Verschleißteil zu degradieren halte ich nämlich für nicht mehr zeitgemäß. Zumal das Risiko von platzenden Schläuchen oder abspringenden Schlauchreifen bei Felgenbremsen immer mitfährt.

Kontrovers diskutiert wird dieses Thema jedenfalls schon seit längerem und ich hätte mich heute klar für die Disc entschieden.

Nach der Abfahrt folgten 50 Kilometer leicht abfallendes Terrain mit kleinen Gegenanstiegen, die immer wieder Fahrer zur Attacke nutzten. Ich traute mich heute auch, das erste Mal in dieser Rundfahrt zu attackieren. Ob ich schlicht vergaß, was noch kommen würde oder ich einfach nur versuchen wollte, mein normales Rennverhalten wieder aufleben zu lassen, weiß ich jetzt nicht mehr. Im Nachhinein war es leicht fragwürdig, aber immerhin fiel noch ein Pünktchen beim Zwischensprint für mich ab.

Der einzige Berg des Tages war eigentlich ein einziger HC-Berg, den die Organisatoren in einen der 2. und einen der 1. Kategorie gesplittet hatten. Das bedeutete wieder 40 Kilometer klettern am Stück und wieder kämpfen, um den Anschluss am Gruppetto halten zu können. Vom Gipfel folgte eine kleine Abfahrt nach Medellin.

Die 5-Millionen-Metropole erstreckt sich weit über ein Hochplateau und wir Rennfahrer wurden mit Transparenten willkommen geheißen. Ich habe sogar einen leichten Vanilleduft in der Luft gespürt. Es kann aber auch eine Sinnestäuschung aufgrund von zu viel Laktat in den letzten Tagen gewesen sein.

Der letzte Kilometer zum Ziel führte wieder unverschämt steil bergauf und Daniel war so sehr am Ende seiner Kräfte, dass er sein Rad irgendjemandem im Zielbereich in die Hand drückte und fünf Meter hinter der Ziellinie auf die Knie fiel. Zum Glück stehen morgen nur 17 Kilometer Bergzeitfahren an, eine weitere Etappe mit 180 Kilometer hätte bei uns wohl weitere Ausfälle  zur Folge.

Die restlichen beiden Tage spielen sich übrigens komplett in Medellin ab. Morgen das Bergzeitfahren und ein Rundstreckenrennen zum Abschluss in der „ciudad de las mujeres más lindas“, der Stadt der schönsten Frauen. Ablenken lassen sich die Jungs davon trotzdem nicht und ich werde auch ganz brav bleiben, da ich meine Ramona genau heute vor einem Jahr beim Dachauer Bergkriterium zum ersten Mal gesehen habe.

Für morgen bleibt mir nur, einen Wunsch zu äußern: Drückt uns die Daumen für die Karenzzeit! Ich berichte dann auch, ob das Daumendrücken gereicht hat.

Muchos saludos de Medellín,

Yannick

Mehr Informationen zu diesem Thema

18.08.2014Wir kommen wieder - aber nicht als Radfahrer

(rsn) - Letzter Tag und nur 100 Kilometer auf einem schönen Rundkurs in der Stadt, was will man mehr? Gut, vielleicht einen fast sicheren Gesamtsieger, dessen Mannschaft das Geschehen unter Kontrolle

17.08.2014Bergzeitfahren bei Nacht - ein surreales Erlebnis

(rsn) - Als vorletzte Etappe der Kolumbien-Rundfahrt hatte sich der Veranstalter ein besonderes Schmankerl ausgedacht: ein Bergzeitfahren über 17 Kilometer bei Nacht. Es ging von Medellin zum Alto de

15.08.2014So langsam geht es an die Substanz

(rsn)  So langsam sehne ich mir das Ende der Rundfahrt herbei und auch mein Körper schreit regelrecht danach. Ich bin heute Morgen im selben Zustand aufgewacht, in dem ich gestern Abend ins Bett geg

14.08.2014Aus dem lockeren Tag wurde doch noch ein harter

(rsn) - Vor der heutigen 7. Etappe der Kolumbien-Rundfahrt durften wir einen Ruhetag genießen. Dieser ist übrigens Pflicht bei Rennen von mehr als zehn Tagen. Wir blieben also einen weiteren Tag in

12.08.2014Mit fürchterlichem Ohrwurm den Scharfrichter hochgefahren

(rsn) - Die Anspannung vor der heutigen Etappe war bei uns im Team förmlich greifbar. Beim Frühstück wurde wenig gesprochen und jeder achtete nochmals besonders darauf, hochwertige Nahrungsmittel z

11.08.2014„I really, really don’t like this race“

(rsn) - Das heutige Resümee fällt etwas knapper aus als das doch sehr emotionale von gestern. Viel gibt es auch nicht zu berichten, obwohl auch diese Etappe wieder anders verlief als erwartet. Der S

10.08.2014Im Ziel brachen bei mir alle Dämme

(rsn) - Vor der heutigen Etappe war bei mir die Angst riesengroß, am Abend nicht mehr im Rennen zu sein. Eine deutlich längere Etappe mit sehr geringer Karenzzeit war nicht gerade das, wonach mir de

09.08.2014Man fühlt sich wie im Circus Maximus

Den Tagesverlauf der dritten Etappe muss ich zumindest teilweise chronologisch schildern, um ein authentisches Gefühl dafür vermitteln zu können, wie es uns momentan geht. Der Sinn für die Schö

08.08.2014Doch nicht Letzter!

(rsn) - Es gibt Rundfahrten, die super organisiert sind und uns Fahrern große Freude bereiten, sofern man von den vier Stunden Radrennen jeden Tag absieht. Die Vuelta a Colombia gehört zu dieser Kat

07.08.2014Die beste Regelung seit Erfindung des Zeitfahrens spielte uns in die Karten

(rsn) - Vor der Ankunft am Startort stand für unsere Truppe noch ein kleiner Inlandsflug von Bogota nach Bucaramanga auf dem Programm. Wollte man eine Rangliste der spektakulärsten Landebahnen diese

Weitere Radsportnachrichten

26.05.2024Geburtstagskind Thomas leidet, aber rettet mit Routine den Podestplatz

(rsn) – Einen Moment lang sah es gar nicht gut aus für das Geburtstagskind. Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) konnte gut 37 Kilometer vor dem Ziel der 20. Etappe beim Giro d'Italia und sieben Kilom

26.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

25.05.2024Pogacar schreibt ein weiteres Kapitel Geschichte

(rsn) – 50 Jahre lang gelang es keinem Fahrer außerhalb der Riege der Sprinter mehr als vier Etappen beim Giro d´Italia zu gewinnen. Eine Bestmarke, die Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) schon am

25.05.2024Highlight-Video der 20. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Der Slowene Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) unterstrich mit einem Parforce-Ritt über den Monte Grappa seine Vormachtstellung bei der 107. Austragung des Giro d´Italia und wird wohl am S

25.05.2024Bettiol fährt bei Boucles de la Mayenne allen davon

(rsn) – Die aus einem Prolog und drei Etappen bestehende Rundfahrt Boucles de la Mayenne (2. Pro) hat mit dem Italiener Alberto Bettiol (EF Education – EasyPost) einen neuen Gesamtführenden. Der

25.05.2024Dritte Norwegen-Etappe geht an Meeus

(rsn) – Der Belgier Jordi Meeus (Bora – hansgrohe) durfte auf der 3. Etappe der Norwegen-Rundfahrt, die über 173 Kilometer von Sola nach Egersund führte, über seinen ersten Saisonerfolg jubeln

25.05.2024Majka: “Tadej ist Superman“

(rsn) – Er ist und bleibt der Dominator der 107. Ausgabe des Giro d´Italia. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) rast auf der vorletzten Etappe zu seinem sechsten Etappenerfolg in diesem Jahr und baut

25.05.2024Sieg Nummer 6 - Pogacar fliegt auch über den Monte Grappa

(rsn) – Mit Stil hat Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) die letzte Bergetappe des 107. Giro d’Italia gewonnen. Auf dem 20. Teilstück von Alpago nach Bassano del Grappa über 184 Kilometer setzte s

25.05.2024Wiebes mit nächstem Tagessieg bei RideLondon Classique

(rsn) – Nachdem sie am Freitag schon die 1. Etappe der Ford RideLondon Classique (2.WWT) gewinnen konnte, legte Lorena Wiebes (SD Worx – Protime) auf der 2. Etappe noch eins drauf. In Maldon war s

25.05.2024Van Aert bei Comeback in Norwegen wieder am Boden

(rsn) - Zwei Monate sind nach dem folgenschweren Crash von Wout van Aert (Visma – Lease A Bike) bei Dwars Door Vlaanderen vergangen und bei der Tour of Norway (2.Pro) gibt der Belgier nun sein Rennc

25.05.2024Welche Sprinter schaffen es über Agathaberg und Schloss Bensberg?

(rsn) – Das "älteste Profiradrennen Deutschlands", wie sich Rund um Köln selbst nennt, geht am Sonntag in seine 106. Auflage. Zwischen Start und Ziel am Rheinauhafen dreht das Peloton einmal mehr

25.05.2024Mountainbiker Flückiger von Dopingvorwürfen freigesprochen

(rsn) – Der Schweizer Mountainbiker Mathias Flückiger, der vor knapp zwei Jahren wegen eines angeblichen Dopingvergehens im Rahmen der Schweizer Meisterschaften provisorisch gesperrt wurde und dess

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Boucles de la Mayenne - (2.Pro, FRA)
  • Tour of Norway (2.Pro, NOR)