Paris-Roubaix: Greipel 7., Degenkolb 10.

Endlich ein Monument: Van Avermaet holt sich den Pflasterstein

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Endlich ein Monument: Van Avermaet holt sich den Pflasterstein"
Greg Van Avermaet (BMC) hat das 115. Paris-Roubaix gewonnen. | Foto: Cor Vos

09.04.2017  |  (rsn) - Man konnte es an seiner Stimme hören, als ihm BMC-Teamkollege Daniel Oss im Ziel um den Hals fiel: Unter der Sonnenbrille von Greg Van Avermaet dürften im Velodrom von Roubaix feuchte Augen versteckt gewesen sein, als der Belgier die ersten Momente seines großen Triumphs in sich aufsog. Nach seinem Olympiasieg in Rio im vergangenen Jahr hat Van Avermaet beim 115. Paris-Roubaix endlich auch sein erstes Monument gewonnen.

"Ich kann es nicht wirklich glauben. Das war ein Rennen, von dem ich früher geglaubt habe, dass ich nicht in der Lage sein würde es zu gewinnen", sagte er im ersten Ziel-Interview freudestrahlend. "Endlich habe ich ein Monument gewonnen! Darauf habe ich so lange gewartet." Zwei Jahre zuvor war er in Roubaix bereits als Dritter über den Zielstrich gefahren, hinzu kommen zwei Podestplätze bei der Flandern-Rundfahrt 2014 und 2015 sowie viele weitere Top-Resultate. Ganz oben stand Van Avermaet auf dem Podium eines Monuments an diesem 9. April 2017 nun aber zum ersten Mal.

Und dafür brauchte der 31-Jährige gute Nerven. Denn früh im Rennen stoppte ein Sturz und damit verbundener Defekt den Belgier ausgerechnet kurz vor dem Wald von Arenberg. Es begann eine harte Aufholjagd, und trotzdem schaffte Van Avermaet rund 30 Kilometer vor dem Ziel den Sprung in die entscheidende Gruppe des Tages um den späteren Zweitplatzierten Zdenek Stybar (Quick-Step Floors) sowie den Dritten Sebastian Langeveld (Cannondale-Drapac).

Doch auch im Finale musste Van Avermaet cool bleiben. Denn nachdem sich das Trio auf dem meist rennentscheidenden Kopfsteinpflaster-Abschnitt Carrefour de l'Arbre 17 Kilometer vor dem Ziel von seinen vier Begleitern gelöst hatte, um anschließend untereinander den Sieg auszufechten, verweigerte Stybar bis vier Kilometer vor dem Ziel die Führungsarbeit. Van Avermaet musste als auf dem Papier endschnellster Mann des Trios am meisten dazu beitragen, dass die Verfolger auf Distanz gehalten wurden. Immer wieder versuchte er seine beiden Begleiter per Handzeichen zur Mitarbeit zu motivieren. Doch nur Langeveld kam diesem Wunsch zumidnest teilweise nach.

"Ich hatte ein wenig Angst vor Stybar, weil er nicht mit uns gearbeitet hat", erklärte Van Avermaet daher auch im Ziel. Er selbst führte das Trio schließlich ins Velodrome, wo bald Stehversuche begannen, so dass von hinten noch die vorher noch eine halbe Minute zurückliegenden Verfolger Gianni Moscon (Sky) und Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) herankamen. Moscon zog sofort durch und attackierte auf der Gegengerade, woraufhin Stybar außen den Sprint eröffnete und Van Avermaet für einen kurzen Moment hinter Moscon eingeklemmt war.

Der Belgier musste zwei bis drei Tritte auslassen, saugte sich in der Schlusskurve aber im Windschatten an Stybar heran und zog auf der Zielgeraden schließlich souverän vorbei zum Sieg - und zwar in neuer Rekordgeschwindigkeit. Mit einem Stundenmittel von 45,204 km/h absolvierte Van Avermaet die 257 Kilometer von Compiegne über 29 Kopfsteinpflaster-Sektoren mit insgesamt 55 Kilometern Pavé. Damit brach er den seit Peter Posts Sieg von 1964 stehende Bestmarke - damals wurde Paris-Roubaix noch über deutlich weniger Kopfsteinpflaster gefahren.

Dass es ein schnelles Rennen werden würde, war früh klar. Bei hohen Geschwindigkeiten jagte das Feld in der Anfangsphase jeden Ausreißversuch nieder und es dauerte fast 90 Kilometer, bis mit Mickael Delage (FDJ), Jelle Wallays (Lotto-Soudal) und Yannick Martinez (Delko Marseille Provence KTM) ein Trio davonkam - allerdings nie weiter als bis auf 1:03 Minuten. In der Folge wurde aus dem Trio ein Duo, als Martinez zurückfiel, und noch einmal ein Trio, als als nach rund 135 Kilometern Stijn Vandenbergh (Ag2r) zu den Beiden nach vorn fuhr.

BMC erhöhte dann schon rund 20 Kilometer vor dem berüchtigten Wald von Arenberg das Tempo im Feld, doch in Sektor 20 Haveluy à Wallers stellte ein Massensturz die Teamtaktik auf den Kopf. Von nun an hieß es für Van Avermaet: Verfolgungsjagd. Fast eine Minute Rückstand hatte er eingangs des Waldes von Arenberg auf die große Favoritengruppe, die dort Tony Martin (Katusha-Alpecin) anführte. Doch als nach danach das Tempo kurzzeitig etwas herunterfiel, schaffte Van Avermaet den Anschluss wieder.

Und dann ging es Schlag auf Schlag. Auf Sektor 17 Hornaing à Wandignies sprengte John Degenkolbs Trek-Segafredo-Team das Peloton durch eine harte Tempoverschärfung, durch die das gesamte Quick-Step-Floors-Team um Tom Boonen und Stybar ins Hintertreffen geriet. Das wollte Peter Sagan (Bora-hansgrohe) nutzen und attackierte 77 Kilometer vor dem Ziel mit Kumpel Maciej Bodnar sowie Degenkolb-Teamkollege Stuyven und Van Avermaet-Helfer Oss.

Das Quartett fuhr knapp eine halbe Minute heraus, bis ein Defekt Sagan stoppte und zurück ins wieder angewachsene Feld warf. Nun waren nur noch Oss und Stuyven vorne weg und blieben das auch eine ganze Weile mit stets zwischen 30 und 45 Sekunden Vorsprung. Im Feld sorgte immer wieder Boonen für hohes Tempo und fuhr bei seinem letzten Rennen als Radprofi sehr viel von vorne - offensichtlich voll im Dienst von Stybar.

Der wagte 57 Kilometer vor dem Ziel einen ersten Vorstoß, doch Sagan und Degenkolb sprangen sofort mit und so wurde der Angriff vereitelt. Zehn Kilometer später attackierte dann Sagan und Stybar ging mit, wodurch das Feld erneut gesprengt wurde. Nur noch rund zehn Mann kamen rund 20 Sekunden hinter Oss und Stuyven, zu denen derweil Jürgen Roelandts (Lotto-Soudal), Moscon und Dimitri Claeys (Cofidis) vorgefahren waren, gemeinsam aus dem Sektor Mons-en-Pevele heraus - mit dabei: Sagan, Boonen, Stybar, Van Avermaet, Degenkolb und Langeveld.

Kurz darauf wurden die fünf Spitzenreiter gestellt, Oss setzte sich noch einmal als Solist und Langeveld sowie Roelandts als Duo ab. Doch es war Stybar, der die vorentscheidende Attacke des Tages 34 Kilometer vor dem Ziel lancierte. Zunächst schauten sich seine Kontrahenten nur an, dann sprang Sagan alleine nach. Sie fuhren zu Roelandts und Langeveld vor, doch der Weltmeister wurde erneut von einem Defekt gestoppt und fiel wieder in die Verfolgergruppe zurück, aus der nun Van Avermaet, Moscon und Stuyven attackierten und die Lücke nach vorne schlossen.

25 Kilometer vor dem Ziel führte Oss mit 23 Sekunden Vorsprung auf Stybar, Styuven, Moscon, Van Avermaet, Langeveld und Roelandts sowie 1:03 Minuten auf ein inzwischen wieder auf rund 40 Mann angewachsenes Feld um Degenkolb, Boonen, Sagan und den Deutschen Meister André Greipel (Lotto-Soudal). Oss wurde gestellt und arbeitete anschließend an der Spitze der Führungsgruppe für Kapitän Van Avermaet weiter, so dass der Abstand zur großen Verfolgergruppe konstant bei 40 Sekunden blieb, bis auf dem Carrefour de l'Arbre 17 Kilometer vor dem Ziel Van Avermaet attackierte und nur noch Stybar und Langeveld folgen konnten.

Während das Trio vorne den Sieg unter sich ausmachte und Moscon und Stuyven im Velodrom zwar noch herankamen, sich aber trotzdem mit Rang vier und fünf begnügen mussten, sprintete dahinter schließlich eine große Gruppe um Rang sechs - mit dem besten Ende für den Franzosen Arnaud Démare (FDJ) vor Greipel, der als bester Deutscher Siebter wurde. Degenkolb kam bei seiner Rückkehr nach Roubaix zwei Jahre nach seinem Sieg auf Rang zehn und Boonen beendete das letzte Rennen seiner Karriere auf dem 13. Platz.

Die starke deutsche Vorstellung, während dem Rennen setzten sich neben Greipel und Degenkolb sowie Martin auch Nils Politt (Katusha-Alpecin) und Marcel Sieberg (Lotto-Soudal) stark in Szene, rundete Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe) als 16. ab. Er hatte zuvor viel für Sagan gearbeitet.

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