Heftige Angriffe im TV-Sender RAI

Giro-Direktor Vegni wegen Verkürzung der 16. Etappe kritisiert

Von Tom Mustroph aus Cortina d´Ampezzo

Foto zu dem Text "Giro-Direktor Vegni wegen Verkürzung der 16. Etappe kritisiert"
Die 16. Giro-Etappe 2021 litt unter Regen und Kälte | Foto: Cor Vos

25.05.2021  |  (rsn) - Nach der verkürzten 16. Etappe des Giro d'Italia durch die Dolomiten begann die Diskussionen über den Sinn und Unsinn dieser Maßnahme. Wurde zu vorsichtig gehandelt? Hätten die Pässe befahren werden können? Fakt ist aber, dass der verkürzte Tagesabschnitt nichts an Spannung eingebüßt hatte!

Früh gab es Attacken, EducationFirst fuhr sich lange für einen großen Schlag in Stellung, aber am Ende setzte sich mit Egan Bernal (Ineos Grenadiers) der derzeit stärkste Fahrer souverän durch. Die beiden aus dem Programm genommenen, über 2.000 Meter hohen Bergriesen Passo Fedaia und Passo Pordoi fehlten nicht wirklich.

Natürlich bleibt es Spekulation, was geschehen wäre, wenn diese Pässe bei dem sehr nassen und sehr kalten Wetter befahren worden wären, was vor allem auf den Abfahrten passiert wäre. Im Hinterkopf hatten Fahrer und Organisatoren aber sicher die schlimmen Bilder von den Rutschpartien der Nizza-Etappe der Tour de France im letzten Jahr. Viele Profis lagen da mehr als dass sie fuhren, und nur ein Bummelstreik, angeführt vom Senior Tony Martin (Jumbo Visma), verhinderte damals Schlimmeres.

Beim Giro dieser Tage waren die Beteiligten schlauer. "Seit Sonntag schon hatten verschiedene Fahrer direkt und über die CPA (die Fahrergewerkschaft, d. Red.) Bedenken wegen der Wetterbedingungen geäußert. Es ging vor allem um die Risiken bei den Abfahrten“, erzählte Giro-Direktor Mauro Vegni am Abend im Fernsehsender RAI. Das Programm nennt sich "Processo alla Tappa“ – und wie in einem Prozess musste sich Vegni auch gefühlt haben.

Von der Moderatorin wurde er scharf angegangen, warum er die Etappe verkürzt habe. Sie blendete verschiedene sportliche Leiter ein, Matteo Tosatto von Ineos Grenadiers zum Beispiel, aber auch BikeExchange-Manager Brent Copeland, die alle versicherten, dass sie gern die Etappe in der ursprünglichen Form gefahren wären. Vegni meinte nur trocken: "Ihr dürft nicht immer nur mit denen sprechen, die im Begleitauto sitzen, sondern auch mit den Fahrern.“ Und er verwies auf die Gespräche, die mit dem CPA-Delegierten Cristiano Salvato längst gelaufen waren. Vegni sagte auch den Schlüsselsatz: "Wir wollen nicht mehr diese schlechte Figur wie früher abgeben.“ Beim letzten Giro noch musste er einem Fahrerstreik unmittelbar vor dem Start nachgeben und eine Etappe verkürzen. Das sorgte für Frust auf allen Seiten.

In diesem Jahr äußerten die Fahrer die Bedenken früher, die Organisatoren fanden einen Kompromiss. Das Rennen war spannend. Alles fein also, mochte man denken.

In der TV-Studio-Redeschlacht nach dem Rennen offenbarten sich dann aber ganz deutlich die Konfliktlinien. Das Fernsehen hatte weniger Übertragungszeit, weil die Etappe später begann, aber eine Stunde vor der geplanten Ankunftszeit schon Egan Bernal ins Ziel stürmte. Vermutlich kommt da der Druck auf Vegni her. Paradox war immerhin, dass bei den noch immer schlechten Bedingungen das Peloton sich einen tollen sportlichen Schlagabtausch lieferte, die RAI aber nicht in der Lage war, die entsprechenden Bilder zu liefern. Der Hubschraubereinsatz war nur bedingt möglich, und die erdgebundenen Relaisstationen für die Signalübermittlung waren zu schwach.

Auch zwischen den Teams – als Arbeitgebern – und den Fahrern, den eigentlich Werktätigen, offenbarten sich Differenzen. Zwar trat kein einziger Radprofi vor ein Mikrofon und sagte, dass die Bedingungen zu schlecht fürs Rennen gewesen waren. Ob sie sich nicht trauten, weil sie Druck von ihren Arbeitgebern befürchteten oder ihnen niemand, der über den kurzen Moment in der Mixed Zone zu ihnen Zugang hatte, überhaupt diese Frage stellte, ist unklar. Sicher aber ist: Über ihre oft und gern kritisierte Fahrergewerkschaft CPA machten sie ihre Botschaft so deutlich, dass sie zumindest beim Giro-Chef Vegni ankam. Die Auskunft von Egan Bernal, dass er persönlich gerne die lange Etappe gefahren wäre, sich aber nicht gegen die Kollegen stellen wollte, deutet eine Mehrheit im Fahrerlager für die verkürzte Etappe ebenfalls an.

Giro-Chef Vegni, oft als knallharter Traditionalist geschmäht, zeigte sich in dieser Situation erfreulich offen, konstruktiv und kompromissbereit. Er sprach auch ein Grundproblem des Straßenradsports an: "Wir müssen darüber nachdenken, wie wir angesichts der Klimaveränderungen den Radsport in Zukunft gestalten.“ Da hat er Recht. Kälteeinbrüche und Stürme im Frühjahr und Herbst dürften sich häufen. Wie reagiert man darauf? Als halben Scherz präsentierte er diesen Ausweg: "Ich hätte auch mal gern einen Giro im Juli.“

Der Giro zeigt: In die Sicherheitsdebatte ist neue Kompromissbereitschaft bei einigen Beteiligten gekommen. Interessenskonflikte gibt es weiter. Und die Wetterdebatte muss endlich auch geführt werden im Interesse dieses Draußensports.

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.06.2021Buchmann startet bei der Tour von allen Fesseln befreit

(rsn) - Ursprünglich war Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) nicht für die diesjährige Tour de France vorgesehen. Doch nach seinem schweren Sturz und dem dadurch erzwungenen Ausscheiden beim Giro

31.05.2021Almeida: Sechster statt Vierter, aber trotzdem besser als 2020

(rsn) - Die Platzziffer am Ende des 104. Giro d'Italia war schlechter, als bei der 103. Auflage des Rennens, doch die Leistung von Joao Almeida (Deceuninck – Quick-Step) durfte man in den vergangene

31.05.2021Rosa nimmt Bernal endlich die große Last von Gelb

(rsn) – Der Sonntagnachmittag in Mailand war emotional für Egan Bernal. Am Ende des 30 Kilometer langen Abschlusszeitfahrens richtete er sich auf, breitete die Arme aus und rollte erleichtert über

31.05.2021White: Yates´ Tour-Teilnahme ist “höchst wahrscheinlich“

(rsn) – Schlecht war das Ergebnis von Simon Yates (BikeExchange) beim 104. Giro d´Italia nicht: Rang drei in der Gesamtwertung, er stand auf dem Podest. Und doch war es nicht das, wofür er vor dre

31.05.2021Walscheid: “Bin super zufrieden mit den drei Wochen“

(rsn) – Mit gleich drei Etappensiegen durch Mauro Schmid, Giacomo Nizzolo und Victor Campenaerts war Qhubeka Assos eine der Überraschungsmannschaften beim Giro d`Italia. Nur Ineos Grenadiers hatte

30.05.2021Sturz kostet Cavagna möglichen Sieg in Mailand

(rsn) - Rémi Cavagna (Deceuninck - Quick-Step) hätte das Abschlusszeitfahren des 104. Giro d'Italia in Mailand gewinnen können. Zumindest wäre es äußerst knapp zwischen ihm und dem vorher per De

30.05.2021Video: Bernals letzte Meter auf dem Weg zum Giro-Sieg

(rsn) - Mit dem Tagessieg vor dem Mailänder Dom hatte Egan Bernal (Ineos Grenadiers) erwartungsgemäß nichts mehr zu tun. Doch der Kolumbianer hat im Abschlusszeitfahren des 104. Giro d´Italia das

30.05.2021Ganna gewinnt Zeitfahren trotz Platten vor gestürztem Cavagna

(rsn) - Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) hat das abschließende Zeitfahren des Giro d’Italia in Mailand für sich entschieden. Der Italiener gewann nach 30,3 Kilometern vor Rémi Cavagna (Deceuninck

30.05.2021Bernal feiert Gesamtsieg, Ganna gewinnt Abschlusszeitfahren

(rsn) - Egan Bernal (Ineos Grenadiers) hat sich am Schlusstag des 104. Giro d`Italia sein Rosa Trikot nicht mehr abnehmen lassen und sich zum ersten Mal in seiner Karriere den Gesamtsieg der Italien-

30.05.2021Die Renneinsätze der deutschsprachigen Fahrer

(rsn) - Die Radsportsaison 2021 ist trotz der Corona-Pandemie in vollem Gang. Wir liefern Ihnen zu Beginn jeder Woche eine Aufstellung über die Einsätze der Profis aus Deutschland, Österreich, der

30.05.2021Bernal: “Nur mein Name auf der Giro-Trophäe zählt“

(rsn) – Erstmals ging Egan Bernal (Ineos Grenadiers) als Leader in die Schlusswoche einer der drei großen Landesrundfahrten. Nach 20 der 21 Etappen des Giro d’Italia hat er mit 1:59 Minuten auf d

30.05.2021Caruso war für Bardet Hilfe und Problem zugleich

(rsn) – Falls im abschließenden Zeitfahren keine Sensation passiert, wird das deutsche Team DSM den 104. Giro d’Italia ohne Tageserfolg verlassen. Nach einer schwierigen ersten Woche präsentier

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

02.05.2024Vollering hängt an erster Bergankunft die Konkurrenz ab

(rsn) – An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) ihre Konkurrentinnen in Grund und Boden gefahren und mit ihrem ersten Saisonsieg auch das Rote Trik

02.05.2024Im dritten Anlauf klappt es für Bike Aid mit dem Gelben Trikot

(rsn) – Im dritten Anlauf hat es für Yoel Habteab (Bike Aid) mit dem Gelben Trikot bei der Tour du Bénin geklappt. Nachdem ihm die Jury an den ersten beiden Tagen das Führungstrikot jeweils nach

02.05.2024Buchmann zur Giro-Ausbootung: “Komische Begründung“

(rsn) - Bis Ende des Jahres steht Emanuel Buchmann noch bei Bora – hansgrohe unter Vertrag. Ob er verlängert wird, scheint zumindest in diesem Moment nicht sicher. Mit großer Verärgerung tritt de

02.05.2024Arkéa - B&B Hotels verlängert vorzeitig mit Costiou

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

02.05.2024Pogacar thront bei seiner Premiere über allen

(rsn) – Auf dem Papier scheint der 107. Giro d’Italia schon entschieden, noch bevor am Samstag in Venaria Reale nördlich von Turin der Startschuss fällt. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist de

02.05.2024Zu Ehren des Sponsors: Intermarché in speziellem Giro-Trikot

(rsn) – Im dritten Jahr in Folge wird Intermarché - Wanty nicht in seinem Standard-Outfit zum Giro d´Italia antreten. Bei der am 4. Mai beginnenden 107. Ausgabe der Italien-Rundfahrt will das belg

02.05.2024Krieger und Mayrhofer sollen Dainese zum Hattrick pilotieren

(rsn) – Das Team Tudor startet am Samstag in seine erste Grand Tour. Zum 107. Giro d’Italia (4. – 26. Mai) tritt der Schweizer Zweitdivisionär aber mit einem relativ erfahrenen Aufgebot an. Nu

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Ãœberblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine