Giro: Keine Angriffe auf Leknessunds Rosa Trikot

Davide Bais triumphiert nach 212-Kilometer-Flucht am Gran Sasso

Von Kevin Kempf

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Davide Bais (Eolo – Kometa) hat die 7. Giro-Etappe gewonnen. | Foto: Cor Vos

12.05.2023  |  (rsn) – Mit einem Ausreißertriumph endete die mit Spannung erwartete 7. Etappe des Giro d’Italia. Nach 218 Kilometern von Capua zum Gran Sasso war der Italiener Davide Bais (Eolo – Kometa) im Bergaufsprint auf 2123 Metern Höhe schneller als der der Tscheche Karel Vacek (Corratec – Selle Italia) und sein Landsmann Simone Petilli (Intermarché – Circus – Wanty).

Die Favoriten hielten sich dagegen vornehm zurück. Aus der rund 30-köpfigen Verfolgergruppe holte sich mit 3:10 Minuten Rückstand Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) den vierten Platz vor dem Slowenen Primoz Roglic (Jumbo – Visma). Der Norweger Andreas Leknessund (DSM) kam zeitgleich am Ende der Gruppe an und verteidigte das Rosa Trikot, auch der Deutsche Zeitfahrmeister Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) büßte auf Position 18 keine Zeit ein.

Zu viert fuhren die Ausreißer nach sechs Kilometern dem Feld davon. Der Eritreer Henok Mulubrhan (Green Project – Bardiani CSF – Faizanè) konnte zur Rennhälfte nicht mehr folgen, die restlichen Drei ließen sich bis zu den letzten 200 Metern nicht aus dem Auge. Dann sprintete Bais seinen beiden Begleitern davon. “Nun hat es endlich mit dem ersten Sieg geklappt. Das hatte ich hier nicht erwartet. Ich ging natürlich in die Gruppe für den Sieg oder um Fortunato zu helfen, falls die an uns nochmals rankommen“, freute sich der Italiener im Ziel-Interview.

“Ich widme den Sieg der gesamten Mannschaft, auch einem Freund der Familie, dem es gerade nicht gut geht. Ich wusste, dass ich stark bin, habe im Anstieg aufgepasst, nicht zu überdrehen und auch noch Power für den Sprint zu haben“, so der 25-Jährige, der sich auf den letzten Kilometern nicht mehr an der Führungsarbeit beteiligte. Für Eolo – Kometa war es der zweite Giro-Erfolg in der dreijährigen Profigeschichte des Teams. 2021 siegte der aktuelle Kapitän Lorenzo Fortunato am Monte Zoncolan.

Der um neun Sekunden geschlagene Vacek wurde nach zwei Ausflügen in die dritte Division zu Saisonbeginn schon zum dritten Mal Profi. Er galt als Toptalent und konnte 2018 sogar Evenepoel in dessen Wunderjahr bei den Junioren im direkten Duell schlagen. “Das war ein besonderer Tag, denn seit vier Jahren hatte ich keine Chance mehr auf einen Sieg gehabt. Und da habe ich noch gegen Remco bei den Junioren gekämpft. Seitdem war es eine schwierige Zeit für mich“, freute sich auch der 22-Jährige.

 “Dieser zweite Platz ist wie ein Sieg für mich. Ich wollte nach der letzten Saison schon fast aufhören mit dem Radsport. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Erst vor wenigen Wochen habe ich den Anruf bekommen, dass ich den Giro fahren soll. Keiner weiß, wie viel ich gelitten habe in den letzten Wochen“, fügte Vacek an. Obwohl er beim österreichischen Tirol KTM kaum Erfolge aufweisen konnte, gab ihm das neue Team Corratec eine erneue Chance bei den Berufsradfahrern.

Nichtangriffsspakt unter den Favoriten

Petilli war der einzige WorldTour-Fahrer des Trios und auch der im Gesamtklassement bestplatzierte Fahrer. “Ich habe seit dem Start vom Giro gedacht, mir über eine Ausreißergruppe vielleicht das Maglia Rosa zu sichern. Aber am Ende war es mir zu schwer hier im Finale. Ich denke, ich habe ein wenig zu viel getan in der Spitzengruppe und das fehlte am Ende. Es war nicht schwierig heute, in die Gruppe zu kommen. Es wäre schön gewesen, mehr Mitstreiter in der Gruppe zu haben“, urteilte der 30-Jährige, der virtuell in Rosa fuhr, das Trikot letztendlich aber deutlich verpasste.

Kämna geriet im trödelnden Feld im Gegensatz zu den vor ihm im Klassement liegenden Toms Skujins (Trek – Segafredo) und Vincenzo Albanese (Eolo – Kometa) nie in Probleme. So schob er sich im Klassement vom elften vor auf den neunten Rang vor. Die drei Deutschen bei DSM leisteten viel Arbeit für Leknessund. Während Niklas Märkl dies vor allem zu Beginn der Etappe tat, gehörten Marius Mayrhofer und Florian Stork neben Harm Vanhoucke zu den letzten drei Helfern ihres Kapitäns.

Der 23-Jährige verteidigte sowohl das Maglia Rosa als auch die Führung in der Nachwuchswertung und liegt weiterhin jeweils 28 Sekunden vor Evenepoel. Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) verlor das Bergtrikot an den Tagessieger, der alle Wertungen gewann und somit 86 Punkte - 36 Zähler mehr als der Franzose – auf seinem Konto hat. In der Punktewertung bleibt der Italiener Jonathan Milan (Bahrain Victorious) vorn. Mads Pedersen (Trek – Segafredo) schob sich am Zwischensprint vier Punkte näher heran, bleibt aber Dritter hinter Kaden Groves (Jayco – AlUla).

So lief die 7. Etappe des Giro d’Italia:

Davide Bais, Petilli, Karel Vacek und Mulubrhan machten schon kurz nach dem Start keinen Hehl aus ihren Ausreißerambitionen. Mehrmals hatten sie es in verschiedenen Konstellationen mit anderen Fahrern erfolglos probiert, bis sie sich nach sechs Kilometern gemeinsam absetzten. Das von DSM angeführte Feld ließ das Quartett gewähren und gönnte ihm mehr als zehn Minuten Vorsprung.

Beim Sprint in Castel di Sangro nach 91 Kilometern fuhr Bais vor Petilli als Erster über den Wertungsstrich. Vacek wurde Dritter, konnte seinen Begleitern wenig später im Anstieg aber nicht mehr folgen. Als Fünfter holte sich Pedersen noch vier Punkte und damit einen mehr als Michael Matthews (Jayco – AlUla).

Das Profil der 3. Etappe des Giro d‘Italia | Foto: Veranstalter

Während der junge Tscheche kurz vor der Bergwertung am Roccaraso (2.Kat.) wieder an die Spitze heranfuhr, musste Mulubrhan hier abreißen lassen. Der Eritreer kehrte nicht mehr zurück und konnte somit nach 100 Kilometern nicht mehr in die Punktevergabe eingreifen. Bais ließ seine Begleiter auch an der Bergwertung hinter sich und gewann so 18 Punkte. Aus dem Feld heraus fügte Pinot seinem Konto als Fünfter zwei weitere Zähler hinzu. Zwischenzeitlich hatte sich das Peloton den Ausreißern bis auf acht Minuten genähert, doch zu diesem Zeitpunkt lag das Trio wieder 10:30 Minuten vor der Meute, zehn Kilometer später kamen noch weitere zwei hinzu.

Niemand hat Interesse, die Ausreißer einzufangen

Danach erhöhte DSM langsam die Schlagzahl, denn mit Petilli hatte der Bestplatzierte der drei im Klassement nur 7:49 Minuten Rückstand auf Leknessund. Die letzten 45 Kilometer der Etappe führten fast ausschließlich bergauf, beginnend mit dem Calascio (2.Kat.). Erneut war Bais als Erster oben und sicherte sich so weitere 18 Punkte. Pinot wiederholte hier seinen Antritt aus dem Feld heraus und holte sich so vier Zähler. Inzwischen wurde aber klar, dass Leknessunds Helfer am Anschlag waren. Mayrhofer hatte sich verabschiedet, nur Stork und Harm Vanhoucke konnten den Mann in Rosa noch unterstützen. Ihr Tempo war aber nicht schnell genug, um viel Boden gutzumachen.

Die Ausreißer fuhren mit 6:30 Minuten Vorsprung unter dem 10-Kilometer-Banner hindurch und konnten diesen Abstand weitere fünf Kilometer halten, da hinten niemand mehr wirklich nachführte. Fünf Kilometer vor dem Ziel begannen vorn die taktischen Spielchen. Petilli zupfte mehrmals an, vier Kilometer vor dem Ziel fiel Vacek zurück, kämpfte sich allerdings 1000 Meter später wieder heran.

Danach tat sich sowohl vorn als auch hinten wenig. Vacek erhöhte 700 Meter vor dem Ziel das Tempo, konnte die beiden Italiener aber nicht abschütteln. Petilli zog den Sprint 200 Meter vor dem Ziel an, doch Bais ging an seinem Landsmann, der noch von Vacek überholt wurde, vorbei und feierte seinen ersten Profisieg. Den Sprint des Feldes entschied gut drei Minuten später Evenepoel vor Roglic.

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