Interview

Meister Müller: Sachsen-Tour statt Tour de France

Von Matthias Seng

28.06.2006  |  Der Name Dirk Müller war bis zum Wochenende nur Radsport-Experten ein Begriff. Mit seinem sensationellen Meisterschafts-Triumph auf dem schweren Parcours in Klingenthal hat der 32-Jährige aus dem nordhessischen Niederaula auch die Fachwelt überrascht. Die Sensation ist umso größer, als Müller nach vierjähriger Pause erst im letzten Jahr wieder mit dem Radsport begonnen hat. Im Interview mit Radsport aktiv berichtet der ehemalige Mapei- und Telekom-Profi über seine wechselhafte Karriere, die ihren Tiefpunkt vor sechs Jahren erreicht hatte, als Müller des Dopings überführt wurde und eine halbjährige Sperre absitzen musste.

Zufall, Riesenüberraschung, Radsportsensation, ein geplanter Coup – wie würden sie das Ergebnis von Klingenthal bezeichnen?

Müller: Es war auf jeden Fall eine Überraschung, auch für mich. Ich wusste, ich war in guter Verfassung und hatte mit einer Platzierung unter den besten Zehn oder 15 gerechnet. Erst im Lauf des Rennens habe ich dann gemerkt, dass noch mehr drin war.

Wann war ihnen klar, dass Sie an diesem Tag stärker als die beiden ProTour-Profis Kessler und Voigt waren?

Müller: Etwa bei der Hälfte des Rennens. An der langen Steigung habe ich bemerkt, dass ich an dem Tag mindestens so stark war wie Kessler und Voigt. Nachdem ich attackiert hatte, bin ich von meinem Team natürlich immer über die Zeitabstände informiert worden und ich habe gespürt, dass ich dieses Rennen würde gewinnen können. Gegen Ende hatte ich dann Angst vor Krämpfen. Auf den letzten zehn Kilometern war ich mir dann aber sicher, dass mir nichts mehr passieren konnte.

Stimmt es, dass Sie sich speziell auf das Rennen in Klingenthal vorbereitet haben?

Müller: Das ist richtig. Ich habe ungefähr zwei Wochen vor der Meisterschaft die Strecke inspiziert. Die deutschen Meisterschaften waren mein persönlicher Saisonhöhepunkt. Schließlich ist das einzige Rennen dieser Kategorie, in dem ich mich mit den besten deutschen Fahrern messen konnte.

Sie fahren in einer kleinen Amateurmannschaft. Mit welchem Trainer arbeiten Sie?

Müller: Ich habe derzeit gar keinen persönlichen Trainer, nur einen, sagen wir, Ansprechpartner. Ansonsten bestimme ich den Umfang meines Trainings selbst.

Sie wollen mit 32 Jahren wieder in ein Profiteam, haben die Tour de France als großes Ziel. Haben sich nach dem Coup vom Sonntag schon Teammanager gemeldet?

Müller: Das mit der Tour habe ich auch in der Presse gelesen. Aber realistisch gesehen ist die für mich noch ziemlich weit weg. Ich wäre schon froh, wenn ich demnächst Rennen wie die Sachsen-Tour oder die Deutschland Tour würde fahren können. Da muss ich jetzt schauen, welche Möglichkeiten sich nach dem Meistertitel auftun. Es gibt Gespräche und ich werde wohl in nächster Zeit wohl einen Profivertrag unterschreiben. Aber mehr möchte ich momentan dazu nicht sagen.

Angesichts ihrer Dopingsperre vor sechs Jahren führte der überlegene Sieg gegen die versammelte deutsche Radsportelite schon zu einigen Verdächtigungen auch von Kollegenseite – wie gehen sie damit um?

Müller: Es ist mir klar, dass meine Dopingsperre ein Thema ist und das Thema von der Presse aufgegriffen wird. Es ist ja auch Fakt, dass ich gedopt habe und deswegen gesperrt wurde, da gibt es auch nichts zu deuteln. Ich muss jetzt schauen, dass ich das Beste daraus mache. Ich weiß, dass ich auch meine Kollegen mit meinem Sieg überrascht habe. Aber ich habe mir diesen Erfolg ziemlich hart erarbeitet.

Wie urteilen Sie heute über ihren Fall?

Müller: Es war damals eine schwierige Zeit für mich mit einigen persönlichen Problemen und es lässt sich auch nicht mehr aus meinem Leben wegstreichen. Ich stehe zu dem, was ich gemacht habe. Als ich gesperrt wurde, hatte ich dann keine Motivation mehr weiterzufahren und habe andere Dinge gemacht. Das hat mir auch ganz gut getan, so habe ich Luft an mich herankommen lassen.

Sie haben erst im letzten Jahr wieder mit dem Radsport begonnen. Warum das späte Comeback nach vierjähriger Pause?

Müller: Ich hatte einfach wieder Lust auf den Radsport. Ich hatte mir damals immer die Option offen gehalten wieder zurück zu kommen. Irgendwann wollte ich dann sehen, ob Radfahren weiter mein Fall ist.

Was haben Sie in diesen Jahren gemacht?

Müller: Ich arbeite seit drei Jahren als Versicherungsfachmann bei einem großen deutschen Versicherungskonzern.

Sie haben in diesem Jahr bereits zehn Amateurrennen, ein Rennen in Kolumbien und jetzt die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Was kann man noch von Ihnen erwarten?

Müller: Ich bin jetzt 32 und habe noch einiges Potenzial, denke ich. Aber wie es weitergeht ist jetzt ganz davon abhängig davon, welchen Vertrag ich bekomme und wie mein Rennprogramm dann aussieht. Ich werde wohl einige Nach-Tour-Kriterien fahren und da schon die Möglichkeit haben, dass Deutsche Meistertrikot angemessen zu präsentieren.

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.06.2006Dirk Müller schafft Sensationssieg

Klingenthal (dpa) - Sechs Tage vor dem Start der Tour de France ist den beiden deutschen Top-Teams die Generalprobe misslungen. Die deutsche Meisterschaft im Straßenradsport sicherte sich sensationel

23.06.2006Lang schlägt Rich, Voigt ist enttäuscht

Forst (dpa) - Sebastian Lang aus dem Radprofi-Team Gerolsteiner hat in Forst die deutsche Meisterschaft im Einzelzeitfahren gewonnen. Der Erfurter verwies nach 40 Kilometern in 46:06 Minuten seinen Te

23.06.2006Prestigeduell der "Großen Zwei"

Klingenthal (dpa) - Die deutschen Meisterschaften in Klingenthal/Sachsen versprechen zum Duell des hoffnungsvollen Nachwuchses der beiden deutschen Top-Rennställe zu werden. Vom besonderen Prestigewe

23.06.2006Charlotte Becker neue Zeitfahrmeisterin

(sid) - Bei den deutschen Straßenmeisterschaften im brandenburgischen Forst haben Sebastian Lang vom Team Gerolsteiner und Bahnrad-Spezialistin Charlotte Becker die Zeitfahr-Titel gewonnen. Bei d

22.06.2006Rich peilt vierten Sieg in Folge an

Seit drei Jahren sind die Deutschen Zeitfahrmeisterschaften die Domäne von Michael Rich und Team Gerolsteiner. Im vergangenen Jahr holte sich der 36-jährige Schwabe in der Nähe von Schweinfurt in e

22.06.2006Wer wird Nachfolger von Ciolek?

Für Gerald Ciolek vom Team Wiesenhof-Akud werden es wahrscheinlich die letzten Tage im schwarz-rot-goldenen Meistertrikot sein. Am Sonntag muss er es wohl abgeben, denn auf dem sehr hügeligen Profil

22.06.2006Schwarz-Rot-Gold für Gerdemann?

Er fuhr eine tolle Tour de Suisse und konnte auch im Hochgebirge ganz vorne mithalten. In dieser Form zählt Linus Gerdemann am Wochenende bei den nationalen Meisterschaften in Klingenthal zu den groÃ

15.06.2006In Klingenthal sind Allrounder gefragt

Dresden (dpa) - Schlechte Karten für die Sprinter, beste Aussichten für die Allrounder: Bei den Deutschen Straßenmeisterschaften erwartet die Radprofis vom 24. und 25. Juni im sächsischen Klingent

Weitere Radsportnachrichten

08.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 5. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

08.05.2024Ackermann kehrt nach langer Verletzungspause ins Feld zurück

(rsn) - Rund rund sieben Wochen, nachdem er sich bei der Classic Brugge-De Panne (1.UWT) einen Bruch des linken Schlüsselbeinbruchs zugezogen hatte, wird Pascal Ackermann (Israel - Premier Tech) sein

08.05.2024Kooij: “Ich hoffe, dass es heute für mich klappt“

(rsn) – Beim 107. Giro d’Italia erhalten die Sprinter heute die dritte Chance in Folge. Auf den 178 Kilometern der 5. Etappe zwischen Genua und Lucca stellt sich den schnellen Männern nur ein Ber

08.05.2024Intermarché - Wanty mit “beruhigender Nachricht“ zu Girmay

(rsn) - Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) ist bei seinen zwei Stürzen auf der 4. Giro-Etappe offenbar glimpflich davon gekommen. Wie sein Team meldete, würden die detaillierten Ergebnisse der i

08.05.2024Buchmann will auch bei der Ungarn-Rundfahrt angreifen

(rsn) – Während die Kollegen beim 107. Giro d’Italia (2.UWT) im Einsatz sind, treten die ursprünglich ebenfalls für die erste Grand Tour des Jahres vorgesehenen Sam Welsford und Emanuel Buchman

08.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

07.05.2024Giro-Posse: UCI verbietet Pogacar die lila Hose zum Rosa Trikot

(rsn) – Tadej Pogacar hat auf der 4. Etappe des Giro d´Italia am Dienstag offenbar der Wechsel seines Kleidungsstücks vor einer Disqualifikation durch die UCI-Jury bewahrt. Die nämlich sah in im

07.05.2024Eine Hommage an ´Super Mario´

(rsn / ProCycling) – Nachdem auf der 4. Etappe der Fokus auf der Westseite lag, richtet sich nun die Aufmerksamkeit auf die Ostseite der Ligurischen Küste. Die Organisatoren hätten die Strecke noc

07.05.2024Das ´kleine Sanremo´ und die Freude, es überlebt zu haben

(rsn) - Die 4. Etappe von Acqui Terme nach Andora hielt ein Finale bereit, das alle an Mailand-Sanremo erinnerte. Manche freuten sich darüber. "Oh, ich kenne hier fast jeden Meter. Es war schön, mal

07.05.2024Ewan kritisiert mangelhafte Teamarbeit bei Jayco - AlUla

(rsn) – Einer war sauer und ließ das auch im Interview nach der Etappe raus. Allerdings nicht in besonderem Maße auf die Streckenführung, weil das vierte Teilstück des Giro d’Italia kurz nach

07.05.2024Bauhaus liefert beim Giro gerne rund um Sanremo ab

(rsn) – Allzu oft lief es in dieser Saison noch nicht rund bei Phil Bauhaus (Bahrain Victorious). Natürlich war da der Etappensieg auf dem dritten Teilstück von Tirreno-Adriatico. Und die 1. Etapp

07.05.2024Highlight-Video der 4. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Jonathan Milan (Lidl – Trek) hat die 4. Etappe des 107. Giro d’Italia gewonnen. Der Italiener setzte sich über 190 Kilometer von Acqui Terme nach Andora im Massensprint knapp vor dem Au

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour de Hongrie (2.Pro, HUN)