Gedanken zu einer Covadonga-Neuerscheinung

„Das Rennen gegen die Stasi“

Von Klaus Angermann

Foto zu dem Text "„Das Rennen gegen die Stasi“"
| Foto: Cor Vos

08.05.2015  |  (rsn) - Es geschah bereits vor 50 Jahren: ein innerdeutscher „Wohnortwechsel der Liebe wegen“. Von Ost nach West. Illegal natürlich, und deshalb gebrandmarkt als „Republikflucht“. Das besondere daran ist, dass es ein Spitzensportler war, der 1964 ein Qualifikationsrennen der Radfahrer für die damals noch „Gemeinsame deutsche Olympia- Mannschaft“ nutzte, aus Gießen nicht in die DDR zurückzukehren.

Dieser Dieter Wiedemann (Jahrgang 1941) aus Flöha im Erzgebirge, der einmal Dritter der Friedensfahrt (1964) war, der seine West-Liebe heiratete und als Profi die Tour de France fuhr (1967/ 52.), ist nach einem halben Jahrhundert selbst bei vielen Radsportlern fast vergessen.

Doch nun ist Wiedemann, nach langem Zögern, doch noch ein bekennender Zeitzeuge geworden. Dem britischen Autoren Herbie Sykes erzählt er seine bewegende Geschichte: die Sportlerlaufbahn im Osten; die Liebe zu einer Westdeutschen; seine Flucht und alles, was sich daraus entwickelte.

Wie die Krake Stasi die Familie - drüben wie hüben - beschattete, im Griff hatte; wie sie bespitzelte, verhörte und zerstörte; wie sie Misstrauen und Unsicherheit verbreitete unter Verwandten, Freunden und Bekannten, unter Arbeitskollegen und Sportkameraden; wie sie Lügen verbreitete, Gerüchte streute.

An Hand dieses Sportlerschicksals vermittelt der Autor dem Leser eindrucksvoll ein Stückchen DDR-Geschichte. Er benutzt dazu zahlreiche Statements von Zeitzeugen, die Wiedemanns Weg begleiteten, ihn kreuzten. Sykes nennt sie jeweils, wie persönlich vertraut, nur bei ihren Vornamen - den Bruder, die Eltern, die Freundin und dann Ehefrau, die Rennfahrerkollegen und Trainer; auch Nachbarn aus dem Heimatort. Alle äußern sich zur Flucht von 1964 und ihren Folgen. Natürlich wird auch Wiedemanns erfolgreiche Radsportkarriere ausführlich behandelt.

Doch das, vielleicht, Entscheidende dieser wahren Geschichte - der Hauptdarsteller ist von einer Offenheit, auch im persönlichen Bereich, die den Leser ganz nah an das Geschehen herankommen und die entscheidenden Momente förmlich mitfühlen lässt...im „ Rennen gegen die Stasi“.

Auch SED-Protagonisten erhalten in diesem Buch der Zeitgeschichte das Wort. So „Täve“ (Schur), das Radidol; so „Klaus“ (Huhn), ehemals Sportchef von „Neues Deutschland“. Allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit Wiedemanns Flucht, sondern zu ihrer persönlichen Entwicklung (Schur) sowie zu Friedensfahrt und Wesen des DDR-Sports.

Das unsägliche Wesen der Stasi enthüllen, unterstützend zahlreiche Protokolle, originalgetreue Abschriften. Es sind entlarvende, erbärmliche Dokumente der DDR-Vergangenheit, was gleichermaßen für die Abdrucke aus dem einstigen SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ gilt. Aus heutiger Sicht grotesk, lächerlich.

Selbst als Senior und Kenner der DDR-Szene, der seine ersten 20 Jahre, die schulische und erste journalistische Ausbildung in Ostdeutschland erlebte, erfahre ich in diesem Buch noch immer erschreckend Neues über das Geflecht des SED-Spitzel-Netzwerkes. Auch über Personen, mit denen ich Kontakt hatte.

Trotz kleiner Mankos - die vielen Kürzel aus dem DDR-Jargon, die man sich kaum merken kann; gelegentlich fehlende Jahreszahlen; die beiderseitigen, übertrieben wirkenden Liebesbriefe - der Leser staunt über die profunden DDR-Kenntnisse des britischen Autors. Es ist ihm gelungen, selbst 25 Jahre nach dem Mauerfall, noch Unbekanntes zu enthüllen. Und damit anhand des Rennfahrerschicksals Dieter Wiedemann - gewollt oder ungewollt - die Abscheu gegenüber dem einstigen ostdeutschen Unrechtsstaat in Erinnerung zu halten.  Aber auch, einmal mehr, daß Liebe Grenzen bezwingen kann.

(„Das Rennen gegen die Stasi“ von Herbie Sykes (GB), erschienen im Frühjahr 2015 im Verlag COVADONGA, Bielefeld; 426 Seiten mit Fotos, 19.80 €.)

 

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Weitere Radsportnachrichten

08.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 5. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

08.05.2024Ackermann kehrt nach langer Verletzungspause ins Feld zurück

(rsn) - Rund rund sieben Wochen, nachdem er sich bei der Classic Brugge-De Panne (1.UWT) einen Bruch des linken Schlüsselbeinbruchs zugezogen hatte, wird Pascal Ackermann (Israel - Premier Tech) sein

08.05.2024Kooij: “Ich hoffe, dass es heute für mich klappt“

(rsn) – Beim 107. Giro d’Italia erhalten die Sprinter heute die dritte Chance in Folge. Auf den 178 Kilometern der 5. Etappe zwischen Genua und Lucca stellt sich den schnellen Männern nur ein Ber

08.05.2024Intermarché - Wanty mit “beruhigender Nachricht“ zu Girmay

(rsn) - Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) ist bei seinen zwei Stürzen auf der 4. Giro-Etappe offenbar glimpflich davon gekommen. Wie sein Team meldete, würden die detaillierten Ergebnisse der i

08.05.2024Buchmann will auch bei der Ungarn-Rundfahrt angreifen

(rsn) – Während die Kollegen beim 107. Giro d’Italia (2.UWT) im Einsatz sind, treten die ursprünglich ebenfalls für die erste Grand Tour des Jahres vorgesehenen Sam Welsford und Emanuel Buchman

08.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

07.05.2024Giro-Posse: UCI verbietet Pogacar die lila Hose zum Rosa Trikot

(rsn) – Tadej Pogacar hat auf der 4. Etappe des Giro d´Italia am Dienstag offenbar der Wechsel seines Kleidungsstücks vor einer Disqualifikation durch die UCI-Jury bewahrt. Die nämlich sah in im

07.05.2024Eine Hommage an ´Super Mario´

(rsn / ProCycling) – Nachdem auf der 4. Etappe der Fokus auf der Westseite lag, richtet sich nun die Aufmerksamkeit auf die Ostseite der Ligurischen Küste. Die Organisatoren hätten die Strecke noc

07.05.2024Das ´kleine Sanremo´ und die Freude, es überlebt zu haben

(rsn) - Die 4. Etappe von Acqui Terme nach Andora hielt ein Finale bereit, das alle an Mailand-Sanremo erinnerte. Manche freuten sich darüber. "Oh, ich kenne hier fast jeden Meter. Es war schön, mal

07.05.2024Ewan kritisiert mangelhafte Teamarbeit bei Jayco - AlUla

(rsn) – Einer war sauer und ließ das auch im Interview nach der Etappe raus. Allerdings nicht in besonderem Maße auf die Streckenführung, weil das vierte Teilstück des Giro d’Italia kurz nach

07.05.2024Bauhaus liefert beim Giro gerne rund um Sanremo ab

(rsn) – Allzu oft lief es in dieser Saison noch nicht rund bei Phil Bauhaus (Bahrain Victorious). Natürlich war da der Etappensieg auf dem dritten Teilstück von Tirreno-Adriatico. Und die 1. Etapp

07.05.2024Highlight-Video der 4. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Jonathan Milan (Lidl – Trek) hat die 4. Etappe des 107. Giro d’Italia gewonnen. Der Italiener setzte sich über 190 Kilometer von Acqui Terme nach Andora im Massensprint knapp vor dem Au

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour de Hongrie (2.Pro, HUN)