Orica-GreenEdge ein rollendes Lazarett

Matthews muss Wunden lecken anstatt um Siege zu kämpfen

Von Felix Mattis aus Amiens

Foto zu dem Text "Matthews muss Wunden lecken anstatt um Siege zu kämpfen"
Vom Orica-Trio Michael Albasini, Michael Matthews und Daryl Impey (v.l.) ist nur noch der Australier bei der Tour de France dabei. | Foto: Cor Vos

08.07.2015  |  (rsn) - Wie ein Häufchen Elend sah er aus, als Michael Matthews (Orica-AIS) eine knappe Viertelstunde nach Tagessieger André Greipel (Lotto-Soudal) in Amiens über den Zielstrich und zum Mannschaftsbus rollte. Eigentlich hätte er bei den Sprintankünften der Tour ein Wörtchen um den Sieg mitreden wollen, nun aber leckt der 24-jährige Australier seit seinem schweren Sturz auf der Huy-Etappe seine Wunden - und kämpft mit starken Schmerzen an seinen geprellten Rippen.

In Amiens mussten ihm die Mannschaftsbetreuer sogar helfen, vom Rad zu steigen, bevor Matthews mit Schmerz verzerrtem Gesicht zur Tür des Busses humpelte, um dort noch einmal zu verharren. Er beugte sich nach vorne, stützte sich mit beiden Händen auf den Stufen ab und atmete nochmal tief durch, bevor er ganz langsam die Treppe ins Innere hinauf krabbelte.

„Er hat noch große Schmerzen. Es kommt nicht in Frage, dass er morgen um den Sieg fährt", hatte Sportdirektor Matt White radsport-news.com kurz vor Matthews' Ankunft noch erklärt. Nun konnte jeder sehen, wovon er sprach. Eigentlich hätte der morgige sechste Tag der Tour einer für den Orica-Star sein sollen. Die Zielankunft in Le Havre ist mit ihrer 7-Prozent-Steigung rund einen Kilometer vor dem Ziel wie gemacht für Matthews' Qualitäten. Anstatt aber um den Etappensieg zu kämpfen, dürfte er sich auch am Donnerstag freuen, wenn er das Ziel erreicht.

In Amiens bekam Matthews Trost und Linderung für die Schmerzen in Form einer besonderen Ehrung. Weil sich die Ausreißer am Mittwoch nicht lange vor dem Feld hielten, bestimmte die Jury den Australier nämlich kurzerhand zum kämpferischsten Fahrer des Tages. „Dass er heute den Preis bekommen hat, ist etwas Besonderes - gerade heute, wo wir an der Gedenkstätte vorbeigefahren sind. Es war für uns Australier ein sehr spezieller Tag", erklärte White und betonte: „Und das war eine große Geste."

Das Peloton passierte auf der 5. Etappe zwischen Arras und Amiens nämlich mehrere „Memorials", die an die Opfer des 1. Weltkrieges erinnern sollten - unter anderem auch das australische bei Villers-Bretonneux.

Matthews wurde mit Sicherheit auch stellvertretend für sein gesamtes Team geehrt, denn er ist nicht der einzige Orica-Fahrer, der mit Sturzverletzungen kämpft - im Gegenteil: Es wäre leichter, die bislang von Stürzen verschonten Fahrer im australischen Team aufzuzählen als die Verletzten. Simon Gerrans und Daryl Impey haben das Rennen bereits aufgegeben, und von den übrigen sieben stürzten vier alleine auf dieser 5. Etappe: Pieter Weening, Simon Yates, Svein Tuft und auch der Schweizer Michael Albasini, der die Etappe zwar beendete, sich aber einen Oberarmbruch zuzog und am Donnerstag nicht mehr weiterfahren wird.

Wie Orica-GreenEdge am Abend meldete, wurden bei Matthews beim Röntgen zwei kleinere Frakturen an den Rippen festgestellt. Die Ärzte erklärten allerdings, dass die Verletzungen ungefährlich seien und gaben Grünes Licht für eine Weiterfahrt. Und genau das hat der U23-Weltmeister von 2010 morgen auch fest vor.

Keine Frage, Matthews und seine Teamkollegen kämpfen gegen die Schmerzen an. „Es ist nicht schwer Jungs zu motivieren, die so lange auf etwas hingearbeitet haben. Hier will keiner aufgeben - die nächste Tour ist erst in einem Jahr", erklärte White. Drei der kommenden vier Etappen hätte seine Mannschaft in der Favoritenrolle in Angriff nehmen wollen - mit Matthews in Le Havre, mit Gerrans in Mur-de-Bretagne und schließlich im Kollektiv am Sonntag im Mannschaftszeitfahren von Plumelec.

Dort aber wird man nun höchstens noch mit sechs Mann antreten können. Es ist unmöglich, unter diesen Umständen eine Top-Zeit zu fahren. Schon bei der Präsentation der Tour-Strecke im vergangenen Oktober wiesen viele daraufhin, dass das Teamzeitfahren am Ende einer hektischen und sturzträchtigen ersten Woche zum Problem werden könnte. Im Fall von Orica-GreenEdge ist das nun der Fall.

„Man muss das im Kopf nach hinten schieben, darf sich nicht über Dinge Gedanken machen, die erst in ein paar Tagen sind", so White. „Wir konzentrieren uns auf jeden Tag neu. Und momentan liegt der Fokus darauf zu schauen, wie es den Jungs nach den heutigen Stürzen geht." An mehr als ans Wundenlecken scheint beim rollenden Lazarett aus Australien derzeit auch wirklich nicht zu denken zu sein.

Bleibt zu hoffen, dass es nicht so endet, wie beim Giro d'Italia 2014. Den nämlich beendete Orica-GreenEdge mit nur noch zwei Fahrern: Michael Hepburn und Svein Tuft.

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.11.2015Prudhomme: "Forderung absurd hoch und unbegründet"

(rsn) –Tour-Direktor Christian Prudhomme bestreitet die Rechtmäßigkeit der Forderung des Niederländischen Radsportverbands (KNWU), der von der ASO 140.000 Euro für den Grand Départ der Frankrei

03.11.2015Niederländischer Verband wartet auf Geld von der ASO

(rsn) - Der Niederländische Radsportverband KNWU hat sich an die UCI gewendet, weil er seit vier Monaten auf eine Zahlung der ASO in Höhe von 140.000 Euro wartet. Das berichtet das niederländische

16.08.2015Dopingproben der Tour sollen erneut getestet werden

(rsn) - Keiner soll sich sicher fühlen! Auch nicht, wenn die Rennen rum sind. Deshalb sollen die Dopingproben der gerade beendeten Tour de France nachträglich auf das neue Epo-Stimulanzmittel 

30.07.2015Bahamontes traut Valverde den Tour-Sieg zu

(rsn) – Federico Bahamontes traut Alejandro Valverde (Movistar) den Tour-Sieg zu und hat seinen Landsmann aufgefordert, im kommenden Jahr das Gelbe Trikot ins Visier zu nehmen. „Wenn er Dritter ge

28.07.2015Voß war zu früh in Topform

(rsn) – Auf die Frage, wie die am Sonntag zu Ende gegangene Tour de France für ihn verlaufen sei, fand Paul Voß gegenüber radsport-news.com nur zwei Worte: „Nicht zufriedenstellend.“ Nach seh

27.07.2015Wie kommt der „Engel" ins Tour-Finale?

(rsn) - Wir trauten unseren Augen nicht, als wir das von Philousport bei Twitter eingestellte Video (siehe die beiden Links unten) betrachteten. Es sah aus, als stünde ein „Engel" mit flatternden F

27.07.2015Jugendlicher Schwarzfahrer soll Absperrung durchbrochen haben

Paris (dpa) - Ein Jugendlicher ohne Führerschein ist wohl für den Zwischenfall vor dem Finale der Tour de France am Sonntag verantwortlich, bei dem die Pariser Polizei Schusswaffen einsetzte.

27.07.2015Denk: „Das Glück war nicht auf unserer Seite"

(rsn) - Ein Etappenpodium, zwei weitere Platzierungen in den Top Ten, der 25. Platz in der Gesamtwertung sowie zwei Auszeichnungen als aktivster Fahrer sind die Bilanz des deutschen Bora-Argon 18-Team

27.07.2015Nun will Greipel auch in Hamburg seinen ersten Sieg

Paris (dpa/rsn)- Am Sonntag gewann André Greipel (Lotto Soudal) erstmals in seiner Karriere die letzte Tour-Etappe auf den Champs Élysées. Im Ziel wartete sein Jugendtrainer Peter Sager um mit dem

27.07.2015Brailsford: „Die Kritiker haben uns geholfen, die Tour zu gewinnen“

Paris (dpa/rsn) - Erst gab es Dosenbier, dann Champagner - und aus den Boxen dröhnte der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Queen-Hit „We are the Champions“. Bevor Christopher Froome

27.07.2015Movistar die beste Mannschaft, aber Sky stellt den Sieger

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

27.07.2015Lotto Soudal dominiert die Sprints, IAM erreicht sein Ziel

(rsn) - Drei harte Wochen Tour de France liegen hinter den 21 Mannschaften. Zeit für radsport-news.com, eine Bilanz der 102. Tour de France zu ziehen. Welche Teams haben überzeugt, welche sind hinte

Weitere Radsportnachrichten

17.05.2024Unschlagbar? Michael Schär erklärt Milans Sieg-Geheimnis

(rsn) - Jonathan Milan drückt den Massensprints auch dank der fein abgestimmten Vorarbeiten seiner Teamkollegen den Stempel bei diesem Giro d’Italia auf. Das weiß der lange Mann aus einem Bergdor

17.05.2024Arbeitslos, verletzt und nun die Nummer zwei im Sprint

(rsn) – Als im vergangenen Herbst das US-amerikanische Team Human Powered Health bekannt gab, dass es 2024 keine Lizenz mehr lösen und eingestellt wird, gehörte der Pole Stanislaw Aniolkowski zu

17.05.2024Bauhaus sicher im Wind und happy mit Rang drei

(rsn) – Es will noch nicht ganz klappen mit dem ersten Sieg bei einer dreiwöchigen Landesrundfahrt für Phil Bauhaus (Bahrain Victorious), doch in Cento landete der 29-Jährige bei der aktuellen A

17.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

17.05.2024Ein schnelles Einzelzeitfahren am Gardasee

(rsn / ProCycling) – Acht Tage nach dem ersten ist es nun Zeit für das zweite und letzte Zeitfahren dieses Giro. Es ist etwas kürzer und etwas weniger anspruchsvoll als der erste Kampf gegen die U

17.05.2024Highlight-Video der 13. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Die vierte und die elfte Etappe hatte sich Jonathan Milan (Lidl – Trek) bereits gesichert, am Freitag schlug der Italiener dann beim 107. Giro d’Italia zum dritten Mal zu. Nachdem er zun

17.05.2024Consonni: “Es war unglaublich, das Team war unglaublich“

(rsn) - Am Ende war die 13. Etappe des Giro d´Italia von Riccione nach Cento der Tag der Sprinter - oder besser gesagt: der Tag des Sprinters. Denn zum dritten Mal bei dieser Ausgabe war der Italiene

17.05.2024ProCycling: Das offizielle Sonderheft zur Tour de France 2024

Keine sechs Wochen dauert es mehr bis zum Start des größten Radrennens der Welt. Am 29. Juni beginnt die 111. Tour de France in Florenz, und schon jetzt verspricht die Rundfahrt Hochspannung vom ers

17.05.2024Pokernder Vangheluwe verjubelt fast den ersten Profisieg

(rsn) – Warre Vangheluwe (Soudal – Quick-Step) hat auf der 4. Etappe der Vier Tage von Dünkirchen (2.Pro) seinen ersten Profisieg gefeiert. Nach 167 Kilometern zwischen Mazingarbe und Pont-à-Mar

17.05.2024Felbermayr: Erst abgeräumt worden, dann die Etappe abgeräumt

(rsn) - Das Team Felt - Felbermayr hat die Königsetappe der Tour of Hellas (2.1) dominiert. So gewann der Österreicher Riccardo Zoidl nach 158 Kilometern an der schweren Bergankunft Velouchi in kna

17.05.2024Milan sprintet zum Giro-Hattrick, Bauhaus Dritter

(rsn) - Jonathan Milan (Lidl - Trek) ist endgültig der dominierende Sprinter bei diesem Giro d’Italia. Auf der 13. Etappe über 179 Kilometer zwischen Riccione und Cento feierte der Italiener berei

17.05.2024Kockelmann lässt Luxemburg und Lotto - Kern Haus jubeln

(rsn) - Mathieu Kockelmann hat beim Orlen Nations GP (2.NC) die Luxemburgische U23-Nationalmannschaft und auch Lotto - Kern Haus - PSD Bank jubeln lassen. Der 20-Jährige, der bei der Koblenzer Equip

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • 4 Jours de Dunkerque / Grand (2.Pro, FRA)
  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)
  • Tour of Hellas (2.1, GRE)
  • Tour of Sakarya (2.2, TUR)