Mein Radsport-Ereignis 2015

Jedermänner trotzten in Frankfurt dem Terror

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Jedermänner trotzten in Frankfurt dem Terror "
Bernd Moos-Achenbach folgte seinem Vater Hermann und seinem Onkel Erwin Moos als Organisator das Frankfurter Rad-Klassikers. | Foto: Roth

22.12.2015  |  (rsn) - Das Jahr der Anschläge auf Charlie Hebdo und das Länderspiel in Paris – nicht auszuschließen, dass das Radrennen „Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt“  fast zu dieser Aufzählung gehört hätte. Doch am Tag vor dem Start am 1. Mai nahm die Polizei ein verdächtiges Ehepaar fest und am Abend sagte die Polizei mit dem Einverständnis von Veranstalter Bernd Moos-Achenbach den Frühjahrsklassiker ab.

Es war der 30. April 2015. Ich wollte am großen „Get together“,  dem familiären Treffen aller am Rennen Beteiligten, im Eschborner Mercure Hotel teilnehmen. Als ich durch die Tür trat, fiel mir die merkwürdige Nervosität auf, die auch die Fahrer angesteckt hatte. „Das Rennen wird vielleicht abgesagt“, begrüßte mich der dreimalige Sieger Fabian Wegmann (Cult Energy) in der Lobby. In einer Ecke stand Veranstalter Bernd Moos-Achenbach und redete mit den Kollegen vom Hessischen Fernsehen. „Es soll ein Anschlag geplant sein. Ich muss sofort zum LKA (Landeskriminalamt, d. Red.) nach Wiesbaden“, teilte mir der Sulzbacher Feinkost-Produzent mit, bevor er sich auf den Weg machte.

Ratlos schauten sich alle an.  Wird gefahren? Reisen wir wieder ab? Fragen schwirrten durch den Raum. Spekulationen machten die Runde. An eine Absage glaubten nicht viele!

Doch zwei Stunden später war es Gewissheit: Die 54. Ausgabe des Rennens, dass früher Rund um den Henninger Turm hieß, würde nicht ausgetragen werden!

Die Gefahr für die vielen Tausend Zuschauer, die traditionell entlang der Strecke gestanden hätten, konnte nicht ausgeschlossen werden, da so kurz nach der Festnahme des Verdächtigen Ehepaares unklar war, ob es weitere mögliche Attentäter gab.

„Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass die Absage richtig war“, bekräftigt Moos-Achenbach mir gegenüber heute. Davon gehen auch die Untersuchungsbehörden aus, die damals bei einer Razzia  im Haus des verdächtigen Oberurseler Ehepaars neben einer funktionsfähigen Rohrbombe, ungefähr 100 Schuss Munition, sowie  verschiedene zum Bombenbau geeignete Materialien und Chemikalien fand. Der Verdächtige sitzt nach wie vor in Haft. Moos-Achenbach: „Der Mann hat bis heute kein Wort gesagt. Aber es ist ja bewiesen, dass er 14 Tage lang an der Strecke rumlief und auch Sprengübungen gemacht hatte.“

Die Profis durften nicht starten, aber die Hobby-Radler ließen sich nicht von den Terroristen einschüchtern. Der Frankfurter Florian Jöckel von der Jedermann-Truppe „Guilty 76 Racing Team“ meldete spontan unter dem Motto „Wir lassen uns nicht terrorisieren“ eine „Trainingsfahrt“ an, an der mehrere hundert Fahrer, darunter einige Profis und Tagesschausprecher Thorsten Schröder teilnahmen. Mir lief eine Gänsehaut den Rücken herunter als die rund 1000 Teilnehmer bei ihrer Ankunft auf dem Opern Platz von vielen Zuschauern begeistert begrüßt wurden. Sie hatten dem Terror getrotzt. Schlimmer kann man die Terroristen nicht treffen.

Deshalb ist auch allen klar: Nächstes Jahr am 1. Mai wird es wieder ein Profi-Rennen in Frankfurt geben. Das ist aber nur möglich, weil alle Fahrer, alle Sponsoren und alle Helfer auf ihre Ansprüche verzichteten. „Wir werden mit einem dunklen Auge rauskommen Daran haben alle mitgeholfen“, freut sich Moos-Achenbach dessen Familie den Klassiker seit 1962 privat und ehrenamtlich organisiert.

Moos-Achenbach: „Meine Frau ist der Finanzminister des Rennens. Ihr Motto ist seit jeher, spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Wir haben einen Notgroschen in den letzten fünf Jahren aufgebaut. Der hilft. Einige Sponsoren haben etwas weniger bezahlt, weil sie auch mehr Aufwand hatten. So musste am Opern-Platz auf Verlangen des LKA noch in der Nacht zum 1. Mai alles abgebaut werden. Am Morgen durfte nichts mehr dort stehen. Einige verlangten nur ihre Kosten, die  selbst gehabt hatten.“ Auch die Städte Eschborn und Frankfurt zahlten komplett ihren Anteil!

Besondere Sicherheitsvorkehrungen wird es im kommenden Jahr nicht geben. „Wir können ja nicht die ganze Strecke absperren. Vermutlich wird es mehr verdeckt arbeitende Beamte geben,“ glaubt-Moos-Achenbach, der aus dem Schaden gelernt hat: „Wir haben erstmals eine Ausfallversicherung abgeschlossen!"

Die hoffentlich nie in Anspruch genommen werden muss!

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Weitere Radsportnachrichten

11.05.2024“Best of the Rest“: Nur Pogacar stellt Martinez in den Schatten

(rsn) – Mit dem Tagessieg bei der Apennin-Bergankunft in Prati di Tivo hat es für Bora – hansgrohe auf der 8. Etappe des Giro d´Italia nicht geklappt. Überflieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirat

11.05.2024Thomas “überrascht, dass andere abgehängt wurden“

(rsn) – Zwei Minuten Zeitverlust auf Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) im Einzelzeitfahren am Freitag: Die Aussichten für Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) vor der zweiten Bergankunft des 107. Giro

11.05.2024Großschartner: “Der Etappensieg war eigentlich nicht unser Ziel“

(rsn) – Das Finale der 8. Etappe des Giro d’Italia (2.UWT) ging Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) eher gemächlich an. Statt einer frühen Attacke verließ sich der Slowene auf seine SprintqualitÃ

11.05.2024Pogacar holt Etappensieg Nr. 3, diesmal im Sprint am Berg

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat einen Tag nach seinem zweiten Etappensieg beim 107. Giro d’Italia gleich den dritten nachgelegt. Auf der 8. Etappe von Spoleto zur Bergankunft von Pra

11.05.2024Nys lässt Hirschi und Co. im Bergaufsprint keine Chance

(rsn) – Thibau Nys (Lidl – Trek) hat bei der Ungarn-Rundfahrt seinen zweiten Etappensieg in Folge gefeiert. 24 Stunden nachdem der 21-jährige Belgier an der Bergankunft von Gyöngyös-Kékestö d

11.05.2024Amador bei schwerem Trainingsunfall mit Glück im Unglück

(rsn) – Andrey Amador (EF Education – EasyPost) ist bei einem schweren Trainingsunfall vor den Toren von Barcelona am Donnerstag den Umständen entsprechend glimpflich davongekommen. Der Costa Ric

11.05.2024Heidemann fällt mit Ellenbogenbruch für unbestimmte Zeit aus

(rsn) – Ein schwerer Sturz bei der Famenne Classic (1.1) Ende April in Belgien hat den Höhenflug von Miguel Heidemann (Felt – Felbermayr) gestoppt. Der Darmstädter, der bei allen vier Rundfahrt

11.05.2024Bredewold verteidigt Gelb mit Stil und holt zweiten Itzulia-Sieg

(rsn) – Mischa Bredewold (SD Worx – Protime) hat ihr auf der 1. Etappe erobertes Führungstrikot am zweiten Tag der Itzulia Women (2.WWT) nicht nur verteidigt, sondern sich nach 104 Kilometern vor

11.05.2024Laporte gibt den Giro d´Italia vor 8. Etappe auf

(rsn) – Christophe Laporte (Visma – Lease a Bike) wird am Samstag nicht mehr zur 8. Etappe des Giro d´Italia antreten. Wie sein niederländisches Team mitteilte, hat sich der Franzose nach seinem

11.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 8. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

10.05.2024Fällt der Stelvio beim Giro dem Schnee zum Opfer?

(rsn) – Die Überfahrt über das Stilfser Joch zu Beginn der 16. Etappe des Giro d´Italia am 21. Mai wackelt gewaltig. Das legt die italienische Nachrichtenagentur ANSA nahe, derzufolge es die aktu

10.05.2024Kette bremste O´Connor im Kampf gegen die Uhr aus

(rsn) – Platz elf im ersten Einzelzeitfahren des 107. Giro d´Italia: Auf dem Papier sah das für Kletterspezialist Ben O´Connor (Decathlon – AG2R) am Freitag zwischen Foligno und Perugia gar nic

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour de Hongrie (2.Pro, HUN)