Dominik Roels-Tagebuch aus dem Senegal

Real african experiences

Von Dominik Roels

Foto zu dem Text "Real african experiences"
Dominik Roels | Foto: Team EmbracetheWorld Cycling

25.04.2016  |  (rsn) - Hey, Leute, heute ohne Strandblick und Meeresrauschen, dafür gemütlich aus dem Bett des wieder mal guten Hotels. Heute wurde übrigens fast so früh gestartet wie angesagt (8:20 Uhr).

Die beiden marokkanischen Teams reihten sich vorne ein - Kante fahren können die allerdings nicht sehr gut. Ich hatte gute Beine. Als das neutrale Fahrzeug sich aus unerfindlichen Gründen wieder mal bis ganz kurz vors Feld fallen ließ, dachte ich mir: "Jetzt nutze ich deren Blödheit und gehe im Sog des Autos attackieren." Mitgefahren ist natürlich keiner. Ich fuhr mit etwas "Unterstützung" des Windschattens der Motorräder immer weiter weg.

Obwohl ich um die Kräfteverschwendung wusste, genoss ich die Soloflucht....steckte mir kleine Zwischenziele… und plötzlich schien die erste Sprintwertung bei etwa Kilometer 100 erreichbar. Diese schaffte ich auch,  wurde kurz danach aber eingeholt. Nach der "Pippipause“ des Feldes fuhren die Algerier wieder volles Mett Kante. Zum Glück war ich recht weit vorne. Da ich aber noch neben der Reihe war, war klar: Jetzt eine Lücke finden/machen oder aufplatzen. Und so drängte ich mich zwischen zwei Marokkaner (aus demselben Team). Dies ist sicher nicht die feine Art, da ich den hinteren Fahrer somit in den Schotter drängte (da er nicht die Bremse betätigen wollte).

Hätte ich die Flucht nicht in den Beinen gehabt, hätte ich eventuell nicht so aggressiv rein gehalten. Ich habe jedoch zu keiner Zeit meine Hände vom Lenker genommen und meiner Meinung nach ist das somit noch im Rahmen des Erlaubten. Trotzdem habe ich nach dem Rennen Drohungen von Fahrern dieser Mannschaft erhalten. Das ist ehrlich gesagt ein sehr ungutes Gefühl.

Ich werde versuchen, später beim Essen auf diese Mannschaft zuzugehen und mich zu entschuldigen. Hoffentlich bringt das was.

Nun war ich also mit vielen Algeriern, einigen anderen Nordafrikanern und zwei Kollegen vom RV Sossenheim vorn. Ich arbeitete nur sehr verhalten mit. Nach einigen Kilometern schaute ich mich um und sah eine Gruppe mit Wolfgang aufschließen. Welch freudiger Moment! Sofort fuhr Algerien wieder voll auf die Kante. Nur Sekunden später hörte ich einen lauten Knall. Sehen konnte ich nichts. Leider stellte sich heraus, dass es Wolfgang erwischt hatte. Er hatte von jemandem eine böse Welle bekommen und einiges an Haut gelassen.

Also war ich doch wieder allein. Ich sprach mit den Sossenheimern und versuchte die Belgier zu überzeugen, gemeinsame Sache zu machen. Schlussendlich fuhr dann Gabri (Sossenheim) mit dem Gelben weg. Ein weiterer Algerier schloss auf. Ich attackierte hinterher. Das Grüne (Sprintertrikot/Sieger der 1. Etappe) schloss noch auf, arbeitete natürlich nicht und übersprintete mich am Ende. Für mich wurde es Rang fünf .

Wow, ganz aktuelle News: Wolfgang ist nach dem Essen zum "Medizinmann“ der Rundfahrt gegangen. Dort haben sie ihn ohne jegliche Betäubung oder Verabreichung von Schmerzmitteln mit einer (O-Ton) "Nadel, mit der hättste auch häkeln können“, genäht. Jo das war mal eine "real african experience" würde ich sagen.

Undjetzt will ich versuchen, noch etwas von MEINEN african experiences berichten. Senegal ist ein ziemlich armes Land. Ganz augenscheinlich für uns, die wir aber auch nur in größeren Städten waren, wird zwar nicht gehungert. Wobei die Kinder, und wie Wolfgang richtig bemerkte, eigentlich nur Jungen, meist schon nach etwas zu essen fragen. Am heutigen Start  (in St. Louis) hatten die Jungs auch alle ein kleines Eimerchen, in dem sie Essen sammelten (Würfelzucker, Reis etc.). Also doch ein Zeichen, dass vielleicht nicht wirklich genug zu Hause auf den Tisch kommt.

Teilweise laufen die Jungen auch barfuß, mit alten Flip Flops oder Schlappen herum und haben oft dreckige, teilweise zerrissene Kleidung an. Die Frauen, ob in der Stadt oder bei der Vorbeifahrt auf dem Land, sind meist sehr chic in bunte Kleider gehüllt. Die Senegalsen sind zumeist schöne Menschen, finde ich. Und die Menge der Kinder ist wie in vielen Entwicklungsländern überwältigend groß. Es beschäftigt mich schon auch, wie direkt man hier die Klassengesellschaft vor Augen geführt bekommt. Wir bekommen bestes Essen in teuren Hotels, und am Start sieht man eben die Kids nach Zuckerstücken "betteln“.

Auch haben wir mitbekommen, dass unser Chauffeur wohl mit so vielen anderen auf ein Zimmer gesteckt wurde, dass er aus Platzmangel im Auto genächtigt hat. Ihm, der wohl froh ist, dass Micha jetzt immer im Rennen das Auto fährt, haben wir dann eben etwas zu essen mitgebracht und wollten ihn heut Abend auch noch mal einladen.

Liebste Grüße
Dominik

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