Schermanns Tour-du-Faso-Tagebuch

Gestern noch Rennen in Ougadougou, heute wieder Schreibtisch!

Von Peter Schermann

Foto zu dem Text "Gestern noch Rennen in Ougadougou, heute wieder Schreibtisch!"
Peter Schermann (Embrace the World) bei der Tour du Faso | Foto: Embrace the World

06.11.2018  |  (rsn) - Hallo, liebe Leser von Radsport News. Mit etwas Verspätung mein letzter Tagebucheintrag von der Tour de Faso.

Ein letztes Mal fertigmachen fürs Rennen, ein letztes Mal Nummern anpinnen für dieses Jahr! Zum Abschluss stehen rund 130 Kilometermit Start in Zorgho und Ziel in Ouagadougou im Tourbook. Dort wartet ein 5-km-Rundkurs, der sechs Mal zu absolvieren ist, auf uns. Wie in Afrika so üblich, wird auch nach neun Renntagen vom Start weg attackiert, was das Zeug hält! Alle frühen Attacken mitspringen und sicherstellen, damit wir in jeder gefährlichen Gruppe mindestens mit einem Embrace-The-World-Fahrer vertreten sind. Das gelingt uns wieder gut! Nach einiger Zeit löst sich ein eine Drei Mann Gruppe um den Belgier Joeri Calleeuw, der lange Zeit für Veranda Willems gefahren ist.

Kurz zuvor war ich schon mal mit ihm und zwei Afrikanern weg und merkte, dass er es heute wirklich wissen will. Nach wenigen Kilometern hatte er bereits die beiden Afrikaner, die uns in der Ausreißer Gruppe begleiteten, “kaputt“ gefahren, und wir wurden wieder eingeholt.

Ich fahre an zweiter Position im Feld und mache mich bereit hinterherzufahren, da sehe rechts Jesus (Dan Craven) in der Regenrinne der Fahrbahn attackieren – er hatte zum selben Zeitpunkt die gleiche Idee und fliegt förmlich davon. Drachen sollen fliegen!! (PUR)

Team Holland hat niemanden vorne dabei, sie wollen aber (wieder mal) nichts investieren. Das Tempo fällt ziemlich zusammen. So wird die Einfahrt in die Hauptstadt zum großen Triumphzug der Burkina-Equipe, an der Spitze der Träger des Gelben Trikots, Mathias Sorgho!

Tausende Zuschauer sind gekommen, stehen dicht gedrängt am Straßenrand und jubeln Ihm und seinem Team zu! Der Rundkurs ist ebenfalls voll, überall Menschen und ich denke mir, dass die Landung wohl doch recht weich wäre, falls man in eine der recht sandigen Kurven wegrutscht. Es geht aber alles gut!

Aus dem Quartett vorne ist ein Solist geworden und wer dreht dort wohl vorne einsam und allein seine Runden? Ihr wisst die Antwort: Natürlich “unser“ Jesus! Die Taktik ist also klar: Wir versuchen hinten die Tempoarbeit zu stören, doch insbesondere die Belgier und Holländer habe da was dagegen und treiben das Tempo immer wieder in die Höhe.

Das Rennen ist eine Runde zu lang für Dan, mit dem Gong zur letzten Runde wird er vom Hauptfeld eingeholt. Plan B tritt in Kraft, und das ist wieder der Massensprint mit Hermann Keller. Wir schaffen es, ihn in aussichtsreicher Position auf die letzten Meter zu bringen und er gibt noch ein letztes Mal alles, was er hat – leider reicht es knapp nicht!

Der Belgier Timmy De Boes gewinnt zum vierten Mal eine Etappe! Hermann wird wieder Zweiter, sichert sich aber das Grüne Trikot des besten Sprinters der Rundfahrt! Irgendwie passend. Wir hatten einen seit Beginn der Rundfahrt einen Plan, eigene Ambitionen wurden hinten angestellt und auch, wenn wir gerne öfter ganz oben gestanden hätten, so war die Tour du Faso für die Mannschaft ein toller Erfolg! Wir waren ein sehr starkes und ausgeglichenes Team und haben gemeinsam viel gelernt.

Nach einer langen und anstrengenden Saison, meiner erst vierten als Radfahrer, bin ich mit meiner eigenen Leistung in Burkina Faso wirklich zufrieden. Ich habe wieder einen Schritt nach vorne gemacht und schon Ideen im Kopf, wie ich es nächstes Jahr noch besser machen kann!

Einen Teil dieser Zeilen schreibe ich schon wieder zurück im kalten Deutschland bzw. Luxemburg - und zwar in der Mittagspause aus meinem Büro. Gott sei Dank ist es schon geheizt und gemütlich warm, denn der Temperatursturz von konstant über 40 Grad in Burkina auf zehn Grad hier muss erstmal verarbeitet werden. Unser Leben hier steht doch im sehr krassen Kontrast zu dem, was wir in Burkina Faso kennen lernen durften. Gestern noch Radrennen mit tausenden Zuschauern in Ougadougou, heute wieder Schreibtisch! Ein Spagat, den ich mit der Zeit wesentlich besser hinbekommen, denn genau wie bei der Eingewöhnung an die kühleren Temperarturen gibt es auch hier Einiges zu verarbeiten.

Wenn ich daran zurückdenke, welche tollen Orte und Menschen ich traf und welche Erfahrungen ich allein in diesem Jahr durch meinen Sport machen konnte – Wahnsinn! Seit meinem Schlaganfall Anfang 2017 ist mir dies nochmal viel bewusster geworden, welch ein Privileg es ist, diese teils exotischsten Länder und Kulturen auf diese doch sehr einzigartige Weise kennen zu lernen zu dürfen. Wenn man bereit ist seine Komfortzone zu verlassen, sammelt man Erfahrungen, die einem das ganze Leben bereichern können!

Nach dem Rennen gönnen wir uns erst mal Hamburger und Pizza, auch ein bis zwei kühle Bier werden getrunken! Nach über 1300 Kilometern im Sattel und täglichem Reis und Nudeln ein wahres Fest! Doch das eigentliche Highlight wartet noch auf uns: die Spendenübergabe!

Neben einer finanziellen Spende an das Kpalime Cycling Project aus Togo, dessen Gründer extra über 900 Kilometer mit dem Rad angereist sind, um mit uns zu sprechen, werden auch die mitgebrachten Materialspenden an die afrikanischen Teams verteilt! Freude und glänzende Augen inklusive. Danke Tour du Faso!

Zu guter Letzt will ich auch Euch noch herzlich Danke sagen! Ich bin mir sicher, wir sehen, hören oder lesen uns bestimmt in 2019 wieder!

Liebe Grüße und eine gute Zeit!
Peter und das ganze Team Embrace the World Cycling

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.11.2018Keller gewinnt Punktewertung der Tour du Faso

(rsn) - Mathias Sorgho (Nationalteam Burkina Faso) hat bei der 31.Tour du Faso (2.2) einen Heimsieg gefeiert. Der 31-Jährige entschied die zehntägige Rundfahrt durch das westafrikanische Land mit 13

04.11.2018Ein bisschen wie im Urlaub

(rsn) - Am vorletzten Tag steht nochmal eine eher kurze Etappe an. 90 Kilometer von Loumbilla nach Kaya sollten ziemlich schnell vorbei gehen! Mit dem gestrigen Siegist schon eine kleine Last abgefall

03.11.2018Da ist das Ding!

(rsn) - Wir mussten bis zu 8. Etappe warten, aber heute hat es endlich geklappt! Da ist das Ding! Hermann Keller gewinnt die Königsetappe der Tour du Faso über 176 Kilometer im Sprint! Doch der R

02.11.2018Heute mal etwas weniger Drama!

(rsn) - Der erste Teil der heutigen Etappe (Donnerstag) wies eine Besonderheit auf - nach 25 Kilometern gab es die erste und einzige Bergpreiswertung! Gestern Abend hatten wir besprochen, dass ich ver

01.11.2018So stelle ich mir eine “Out-of-Body-Experience“ vor

(rsn) - Nach kurzem Transfer kommen wir sehr zeitig zum Start des Teamzeitfahrens in Sabou an. Dan Craven und ich müssen einem natürlichen Bedürfnis nachgehen und beschließen, aus dem Bus zu ste

31.10.2018Lebensfreude und Unbeschwertheit, die man lieben muss!

(rsn) – Wir sind nun bei Halbzeit der Rundfahrt. Nach einem traditionellen afrikanischen Frühstück, das in Burkina besteht aus : 1 Stück Baguette, 1 Croissants, Butter und Tee/Instantkaffee, fäh

30.10.2018Viel Arbeit, wenig Lorbeeren bei gemütlichen 45 Grad

(rsn) – Ahhhhh, wie gut es sich anfühlte heute Morgen wieder auf meinem Rad zu sitzen! Davor standen aber erstmal rund 30 km Transfer von der Hauptstadt nach Laye per Bus auf dem Programm! Unse

29.10.2018Man muss mit den Mädels (Rädern) tanzen, die da sind...

(rsn) - Der Tag beginnt wirklich gut, vielleicht etwas zu gut: Ein toller Sonnenaufgang auf dem Weg zum Frühstück. Hier gibt es Rührei, Toast und sogar etwas Wlan - die Stimmung ist hervorragend!

28.10.2018Die zwei zweiten Plätze motivieren uns für mehr!

(rsn) - Ein herzliches Salut aus Burkina Faso, besser gesagt heute aus Ghana, wo die zweite Etappe endete! Leider konnte ich euch nicht wie geplant schon von der ersten Etappe berichten, da einfach ke

Weitere Radsportnachrichten

13.05.2024Mit Rouvy Grand-Tour-Recon im Wohnzimmer?

(rsn) - Analoge und digitale Welten verschränken sich immer mehr, auch beim Radsport. Auf besondere Weise dreht Rouvy mittlerweile die Schraube weiter. Auf der 2017 von den Brüdern Petr und Jiri Sam

13.05.2024Bergankunft Nr. 3: Kurze Etappe, langer Schlussanstieg

(rsn / ProCycling) – Schon in der ersten Woche des 107. Giro d´Italia hat es Ausreißversuche gegeben, die von Erfolg gekrönt waren. Doch erst die 10. Etappe durch den südlichen Apennin weist ein

13.05.2024Erholter Démare kehrt in Dünkirchen ins Feld zurück

(rsn) – Nachdem er aufgrund von Erschöpfungserscheinungen seine Klassikerkampagne bereits nach Gent-Wevelgem am 27. März hatte beenden müssen, kehrt Arnaud Démare (Arkéa - B&B Hotels) in seiner

13.05.2024Thomas kritisiert Neapels Straßen: “War ein absolutes Gemetzel“

(rsn) – Ein astreiner Massensprint und breite Straßen auf den letzten Kilometern: Auf den ersten Blick war das Finale der 9. Etappe beim Giro d´Italia in Neapel nichts Besonderes. Doch im Peloton

13.05.2024Die letzten Hügel taten Milans Beinen weh

(rsn) – Im vergangenen Jahr musste sich Jonathan Milan in Neapel am Ende der damaligen 6. Giro-Etappe Mads Pedersen geschlagen geben. Damals stand der Italiener noch bei Bahrain Victorious unter Ver

13.05.2024Bringt der Flèche du Sud den erhofften “Bumms“?

(rsn) - Gleich fünf der neun deutschen Kontinental-Teams waren in der vergangenen Woche beim Fléche du Sud (2.2) dabei. In Luxemburg standen sie allerdings zumeist im Schatten ihrer für internatio

12.05.2024Trotz widriger Umstände rast Kooij beim Giro zum ersten Sieg

(rsn) - Die ersten beiden Massensprints des diesjährigen Giro d’Italia (2. UWT) liefen nicht nach dem Geschmack von Olav Kooij und seinem Team Visma – Lease a Bike. Doch die dritte Chance konnte

12.05.2024Krieger bei Sturz auf 9. Giro-Etappe schwer verletzt

(rsn) – Nach einem schweren Sturz im Finale der 9. Etappe musste Alexander Krieger mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Wie sein Team Tudor am Abend auf X mitteilte, sei der St

12.05.2024Auch ohne Sieg ist Buchmann ein Gewinner der Ungarn-Rundfahrt

(rsn) – Den Frust über seine Giro-Ausbootung hat Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) in viel Angriffslust umgewandelt. Nachdem er bereits am 1. Mai bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) mit einer offens

12.05.2024Kooj triumphiert im Sprint-Krimi von Neapel vor Milan

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike) hat die 9. Etappe des 107. Giro d’Italia im Massensprint gewonnen. Nach 214 Kilometern mit Start in Avezzano und Ziel in Neapel jagte er auf den letzten

12.05.2024Flèche du Sud: Teutenberg-Team am Schlusstag auf 1-2-3

(rsn) – Der Flèche du Sud (2.2) ist für viele der deutschsprachigen Fahrer und Teams erfreulich zu Ende gegangen. Am Schlusstag feierte Tim Torn Teutenberg mit seinem Team Lidl – Trek Future Ra

12.05.2024Narvaez: “Manchmal klappt es und manchmal nicht“

(rsn) – Rund 30 Meter fehlten Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) im Finale der 9. Etappe des Giro d’Italia (2.UWT) – stattdessen ging der Sieg an Olav Kooij (Visma – Lease a Bike). Die letzte

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)