Französisches Drama, Führungswechsel und Abbruch

Bernal nach abgebrochener Alpenetappe im Gelben Trikot

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Egan Bernal (Ineos) eroberte auf einer denkwürdigen 19. Tour-Etappe das Gelbe Trikot. | Foto: Cor Vos

26.07.2019  |  (rsn) - Das war eine Etappe für die Geschichtsbücher der Tour de France: Ein heftiger Hagelschauer mit Erdrutsch in der Abfahrt vom Col de l’Iseran sorgte für den Abbruch des in Saint-Jean-de-Maurienne gestarteten und laut PLan 126,5 Kilometer langen 19. Teilstücks der 106. Frankreich-Rundfahrt. Die Rennorganisation entschied daraufhin, die Etappe rund 26 Kilometer vor dem Ziel zu beenden. Ein Etappensieger wurde aufgrund der besonderen Umstände nicht gekürt, für die Gesamtwertung wurde die Zeit am Col de l’Iseran in 2.764 Metern Höhe genommen.

Dadurch übernahm Egan Bernal (Ineos), der als erster Fahrer den Gipfel erreicht hatte, das Gelbe Trikot. Der bisherige Spitzenreiter Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) hatte im Anstieg den Kontakt zu den anderen Favoriten verloren. Damit nicht genug der schlechten Nachrichten für die Franzosen: Der bisherige Gesamtfünfte Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) musste die Tour einer Oberschenkelverletzung bereits nach rund 50 Kilometern aufgeben.

Zunächst hatte Bernals Teamkollege Geraint Thomas sieben Kilometer vor dem Gipfel des Col de l’Iseran das Rennen verschärft und dadurch Alaphilippe abgeschüttelt. Aus dem Angriff ging eine Gruppe um den Titelverteidiger, Bernal, Steven Kruijswijk (Jumbo - Visma) und Emanuel Buchmann (Bora - hansgrohe) hervor, aus der heraus schließlich Bernal kurz darauf seine entscheidende Attacke setzte. Da die Zeit für die Gesamtwertung am Gipfel des Col de l’Iseran genommen wurde, reichte hier Bernals Vorsprung von 2:07 Minuten auf Alaphilippe, um vom Franzosen die Gesamtführung zu übernehmen.

"Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht, was da passierte. Ich habe über Funk gehört, dass das Rennen beendet ist, und ich sagte, 'nein, ich will weiterfahren.'", kommentierte der 22-jährige Bernal das Geschehen. "Erst als ich angehalten habe und mir mein Sportlicher Leiter gesagt hat, dass ich Gelb habe, war ich erleichtert."

Dafür ist der Traum vom Toursieg für Alaphilippe wohl beendet. "Ich wurde von Fahrern besiegt, die stärker sind als ich. So ist es nun mal. Ich habe es kommen sehen, aber alles gegeben. Deshalb mache ich mir keine Vorwürfe. Es war ein Traum, das Gelbe Trikot zu tragen und ich hatte es viel länger als gedacht. Natürlich fing ich an zu träumen, aber wirklich an das Gelbe Tirkot geglaubt habe ich nicht“, sagte der 27-Jährige kurz nach dem Ende der Etappe. Der Weltranglistenerste trug das Maillot Jaune insgesamt 14 Tage lang.

Hinter Bernal erreichten Simon Yates (Mitchelton - Scott / +0:05) und Warren Barguil (Arkea - Samsic / +0:41) aus der Ausreißergruppe des Tages als nächste Fahrer den Gipfel des Col de l’Iseran. Mit 50 Sekunden Rückstand folgte eine Gruppe um Thomas, Kruijswijk und Buchmann.

Die Etappe hatte allerdings weitaus mehr zu bieten als den Kampf um die Gesamtwertung. Am Ende bestimmte vor allem der Abbruch die Gesprächsthemen. "Die Entscheidung ist auf jeden Fall nachvollziehbar. Wenn man die Bilder sieht, es liegt Schnee, Schlamm auf der Strecke. Es wäre zu gefährlich gewesen, den Berg mit 80 runterzufahren und man hat ja eine ganz gute Lösung gefunden, dass man die Zeit oben am Col d`Iseran nimmt“, sagte Ralph Denk, Teammanager von Bora - hansgrohe bei der ARD.

Gemiscchte Gefühle bei Ineos

Servais Knaven, Sportlicher Leiter von Ineos, sagte zur Entscheidung: "Ich habe gemischte Gefühle. Ich bin zufrieden, dass Egan Gelb hat. Aber wir hätten mehr Zeit herausfahren können. Der morgige Tag wird noch mal sehr schwer. Ich bin froh, dass wir Zeit haben herausfahren können, aber die Fahrer waren bereit, an die Konkurrenz noch mehr Ohrfeigen zu verteilen.“

In der Gesamtwertung führt Bernal vor der abschließenden Alpenetappe mit 45 Sekunden Vorsprung auf Alaphilippe, es folgen Thomas (+1:03), Kruijswijk (+1:15) und Buchmann (+1:42), der aufgrund von Pinots Ausfall eine Position gutmachte.

Um den Franzosen hatte sich ein echtes Drama abgespielt. Der 29-Jährige musste unter Schmerzen und Tränen der Enttäuschung vom Rad steigen. Laut Teamangaben hatte er sich am Vortag schwer an seinem Rad gestoßen. "Am Anfang der Etappe waren wir noch zuversichtlich, aber dann hat er es uns mitgeteilt und es war uns schnell klar, dass es nicht gehen würde“, sagte Teammanager Marc Madiot zum Ausstieg seines Kapitäns..

So lief das Rennen

Die kurze Etappe verlief vom ersten Kilometer an leicht ansteigend, das Anfangstempo war zudem erneut durch extrem hohes Tempo geprägt. Entsprechend kraftraubend vollzog sich der Etappenbeginn. Eine Fluchtgruppe um Dan Martin (Team UAE), Jesus Herrada (Cofidis), Vincenzo Nibali (Bahrain - Merida) und Pello Bilbao (Astana) setzte sich frühzeitig ab, bekam aber lange nie mehr als eine halbe Minute an Vorsprung zugestanden. Aus dem Feld setzten immer wieder Fahrer nach, konnten sich aber nicht entscheidend lösen. Die erste Bergwertung des Tages an der Côte de Saint-André (3. Kategorie) nach 25 Kilometern sicherte sich Martin.

Kurz darauf setzte sich eine größere Verfolgergruppe vom Feld ab, die wenig später zur Spitze aufschloss und damit eine 25-köpfige Gruppe bildete – unter anderem gehörten Patrick Konrad (Bora - hansgrohe), Damiano Caruso (Bahrain - Merida), Alejandro Valverde (Movistar), Rigoberto Uran (EF Education First), Simon Yates (Mitchelton - Scott), Fabio Aru (Team UAE), Guillaume Martin (Wanty - Gobert) und Warren Barguil (Arkea - Samsic) dazu Die nächste Bergwertung nach 38 Kilometer am Montée d’Aussois sicherte sich Caruso. Aufgrund der guten Besetzung und Fahrern wie Uran und Valverde, die in den Top Ten der Gesamtwertung lagen, stieg der Vorsprung der Ausreißer lange Zeit kaum über eine Minute.

Zu dieser Zeit konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der TV-Kameras aber längst auf das Drama um Pinot, der sich offenbar mit Schmerzen im linken Bein minutenlang am Ende des Rennens quälte und schließlich weinend und von Teamkollege William Bonnet umarmt vom Rad stieg.

Am Gipfel des dritten Anstiegs des Tages, dem Col de la Madeleine (3. Kategorie) nach 63 Kilometern, wuchs der Vorsprung der Spitzengruppe auf über zwei Minuten an, der Maximalwert. Ajuch hier sicherte sich Caruso den Bergpreis. Die nächste Hürde war die höchste der gesamten Tour, der Col de l’Iseran (HC-Kategorie) auf 2.764 Metern Höhe. Im 12,9 Kilometer langen Anstieg fiel die Spitzengruppe auseinander, Barguil, Uran, Nibali und Simon Yates blieben übrig, bekamen fünf Kilometer vor dem Gipfel allerdings Begleitung durch Bernal.

In der Favoritengruppe hatte Ineos zu Beginn des Anstieges durch hohes Tempo die Konkurrenz zermürbt, der erste Angriff von Thomas brachte sieben Kilometer vor dem Gipfel dann Alaphilippe in Schwierigkeiten. Der Franzose fiel zurück und frühzeitig war klar, dass er sein Gelbes Trikot verlieren würde. Am Gipfel betrug sein Rückstand bereits über zwei Minuten.

Nach dem Angriff von Thomas ging Bernal in die Offensive und distanzierte damit seine letzten Begleiter Thomas, Buchmann und Kruijswijk. Den Gipfel erreichte er als Solist mit einem Vorsprung von einer Minute auf die Gruppe um Thomas. In der folgenden Abfahrt informierte die Organisation um Renndirektor Christian Prudhomme dann die Fahrer, dass das Rennen aufgrund der Wettbedingungen nicht fortgesetzt werden konnte.

 

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