Am Sonntag ist Schluss, dann zählt nur noch Familie

Martens´ Abschiedsreise beim Giro: Noch drei Tage Radprofi

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Martens´ Abschiedsreise beim Giro: Noch drei Tage Radprofi"
Paul Martens (Jumbo - Visma) fährt beim Giro d´Italia sein letztes Profirennen. | Foto: Cor Vos

28.05.2021  |  (rsn) - Eine Karriere geht zu Ende. Am Sonntag endet mit der letzten Etappe des Giro d’Italia auch die 16-jährige Profikarriere von Paul Martens. "Man muss auch noch meine zehn Jahre als Amateur dazurechnen, so lange bin ich schon dabei", sagte Martens radsport-news.com.

Den Entschluss zum Aufhören hatte der Jumbo-Visma-Profi schon früher gefasst. "Es war schon nach dem Giro 2019 klar, dass ich Ende 2020 aufhören möchte. Dann kam die Pandemie dazwischen. Ich habe meine Ardennenklassiker nicht so fahren können, wie ich wollte. Die ganze Saison war ja unsicher, ob wir überhaupt noch Rennen fahren. Und da habe ich gefragt, ob ich verlängern darf. Das Team hatte aber schon gewisse Planungen gehabt, so dass der Kompromiss dann ein halbes Jahr war."

Auch das macht Martens nun nicht komplett voll. Der Giro, seine insgesamt zwölfte Grand Tour, bildet den Abschluss. Fein säuberlich aufgeteilt ist Martens' Grand Tour-Statistik übrigens, je vier Mal war er bei Tour, Giro und Vuelta am Start. Er erlebte dabei Alberto Contador als Gesamtsieger, Chris Froome, Vincenzo Nibali, Alejandro Valverde und Richard Carapaz. Er war auch selbst am Vueltasieg 2020 seines Teamkollegen Primoz Roglic beteiligt. "Das war überhaupt das Schöne in den letzten Jahren: Ich konnte sehen, wie sich junge Rennfahrer entwickeln wie Primoz Roglic und Dylan Groenewegen. Das hat viel Freude gemacht."

Auch auf diesen Giro blickt der 37-Jährige mit einer positiven Grundstimmung, obwohl es mit den Teamzielen nicht so ganz geklappt hat. Der erhoffte Etappensieg von Rückkehrer Dylan Groenewegen fiel aus. Und aus dem Kampf um das Podium verabschiedete sich George Bennett frühzeitig. "Man muss das gründlich analysieren. Ich denke aber, das kalte und nasse Wetter hat ihm zugesetzt, hat einfach seinen Körper blockiert", erklärt sich Martens die schlechte Performance seines Kapitäns.

"Möchte die Nadel in die Blase stecken und gucken, was da sonst noch ist"

Selbst hat der gebürtige Rostocker es vor allem genossen, wieder mit Publikum fahren zu können. "Ich merke, wie ich das vermisst habe", erzählte er. Besonders die Berge hochzufahren bereitete ihm beim Giro dank des Zuspruchs wieder viel Freude, selbst wenn ihm dabei die Atemluft der Fans gelegentlich doch zu nahe kam.

Weiter im Radsport bleiben will der Noch-Road-Captain von Jumbo Visma erst einmal nicht. "Vielleicht in der Zukunft, aber im Moment ist noch nichts geplant. Ich will erst einmal genug Abstand davon nehmen", sagte er.

Abstand von der Radsportblase vor allem, und die Welt jenseits davon erkunden. "Man spricht ja jetzt viel von der Bubble. Ich lebe jetzt seit meinem zwölften Lebensjahr in dieser Blase und möchte das endlich mal vergrößern. Ich möchte die Nadel reinstecken und gucken, was da sonst noch ist."

Bald ein vorzüglicher Fußballer und Trampolinspringer?

Wer jetzt Weltreisen vermutet oder ausgefallene Hobbys, liegt bei dem ohnehin schon weitgereisten Noch-Profi allerdings grundfalsch. Die Familie hat jetzt oberste Priorität. "Es hat mir immer mehr wehgetan, nein sagen zu müssen bei ganz einfachen Sachen wie Fußball spielen zwei Tage vor einem Radrennen oder aufs Trampolin gehen nah einem harten Training. Natürlich, andere Väter müssen auch nein sagen. Aber ich fühle mich ja noch jung. Und wenn ich solche Sachen nicht machen kann, dann ist das ok, wenn man wirklich hohe Ziele hat. Aber für mich war es irgendwann so, dass ich nur noch Helfer bin ohne eigene Ambitionen und dann für die Ambitionen anderer den eigenen Kindern nein sagen zu müssen, hat sich irgendwann komisch angefühlt."

Ab Montag können sich seine Kinder Alena und Leon also auf einen sehr ausdauernden Gefährten bei Fußball und Trampolinspringen gefasst machen.

Abraten von einer Radsportkarriere würde Martens trotz allen Verzichts aber Jungen und Mädchen, die das wirklich anstreben, keineswegs. "Entbehrungen machen den Menschen", sagte er ganz deutlich. "Ich bin definitiv ein Befürworter dafür , sich hohe Ziele zu stellen und alles andere dafür liegen zu lassen, sei es Radsport oder Geige spielen. Beim Radsport habe ich deswegen etwas Bedenken, weil der Verkehr so zugenommen hat und jedes Training zu einer großen Risikoangelegenheit geworden ist. Bei meinen eigenen Kindern bin ich jetzt nicht so der Pusher, der sagt: ‚Geht bitte in einen Radsportverein.‘"

2013 war sein persönlich erfolgreichstes Jahr

Auf seine eigene Karriere blickt Martens entspannt zurück. Er kann sich an großen Momenten wie dem Vueltasieg von Roglic erfreuen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team wird er auch vermissen. "Aber irgendwann ist alles eben mal zu Ende", sagte er sachlich. Gut verzichten kann er auf Kälteeinbrüche bei Rennen wie dem Giro. "Die Tage in der Kälte waren für mich immer sehr schlimm, wenn sich dann der innere Schweinehund meldet. Das ist eine extrem laute Stimme, die man bekämpfen muss", erzählte er. Und man stellt sich dieses Geschrei, das auch bei diesem Giro mitunter recht groß gewesen sein muss, geradezu bildlich vor. Die Stürze, die er gesehen und auch selbst mitgemacht hat, zählt Martens ebenfalls zur schlechteren Seite der Bilanz.

2013 war sportlich sein bestes Jahr. Da war er in der Weltrangliste mal auf einem zweistelligen Platz, holte 526 UCI-Punkte, unter anderem durch den Gewinn der Luxemburg-Rundfahrt und einen Etappensieg bei der Algarve-Rundfahrt. Beim Giro sprang in jenem Jahr ein dritter Etappenplatz heraus, hinter John Degenkolb im Übrigen. Zu den Geschlagenen zählten Elia Viviani und Nacer Bouhanni. Eine gewisse Endschnelligkeit brachte der frühere Bahnfahrer in jungen Jahren also definitiv mit. Im Laufe der Jahre entwickelte er sich erst zu einem verlässlichen Helfer und zuletzt zum Road Captain, der auf der Straße die Renntaktiken mitorganisiert. Damit ist schon am Samstag Schluss. Am Sonntag, zum Einzelzeitfahren, braucht es keine Teamtaktik mehr. Und nur für den jungen Norweger Tobias Foss könnte es noch um Einiges gehen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.06.2021Buchmann startet bei der Tour von allen Fesseln befreit

(rsn) - Ursprünglich war Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) nicht für die diesjährige Tour de France vorgesehen. Doch nach seinem schweren Sturz und dem dadurch erzwungenen Ausscheiden beim Giro

31.05.2021Almeida: Sechster statt Vierter, aber trotzdem besser als 2020

(rsn) - Die Platzziffer am Ende des 104. Giro d'Italia war schlechter, als bei der 103. Auflage des Rennens, doch die Leistung von Joao Almeida (Deceuninck – Quick-Step) durfte man in den vergangene

31.05.2021Rosa nimmt Bernal endlich die große Last von Gelb

(rsn) – Der Sonntagnachmittag in Mailand war emotional für Egan Bernal. Am Ende des 30 Kilometer langen Abschlusszeitfahrens richtete er sich auf, breitete die Arme aus und rollte erleichtert über

31.05.2021White: Yates´ Tour-Teilnahme ist “höchst wahrscheinlich“

(rsn) – Schlecht war das Ergebnis von Simon Yates (BikeExchange) beim 104. Giro d´Italia nicht: Rang drei in der Gesamtwertung, er stand auf dem Podest. Und doch war es nicht das, wofür er vor dre

31.05.2021Walscheid: “Bin super zufrieden mit den drei Wochen“

(rsn) – Mit gleich drei Etappensiegen durch Mauro Schmid, Giacomo Nizzolo und Victor Campenaerts war Qhubeka Assos eine der Überraschungsmannschaften beim Giro d`Italia. Nur Ineos Grenadiers hatte

30.05.2021Sturz kostet Cavagna möglichen Sieg in Mailand

(rsn) - Rémi Cavagna (Deceuninck - Quick-Step) hätte das Abschlusszeitfahren des 104. Giro d'Italia in Mailand gewinnen können. Zumindest wäre es äußerst knapp zwischen ihm und dem vorher per De

30.05.2021Video: Bernals letzte Meter auf dem Weg zum Giro-Sieg

(rsn) - Mit dem Tagessieg vor dem Mailänder Dom hatte Egan Bernal (Ineos Grenadiers) erwartungsgemäß nichts mehr zu tun. Doch der Kolumbianer hat im Abschlusszeitfahren des 104. Giro d´Italia das

30.05.2021Ganna gewinnt Zeitfahren trotz Platten vor gestürztem Cavagna

(rsn) - Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) hat das abschließende Zeitfahren des Giro d’Italia in Mailand für sich entschieden. Der Italiener gewann nach 30,3 Kilometern vor Rémi Cavagna (Deceuninck

30.05.2021Bernal feiert Gesamtsieg, Ganna gewinnt Abschlusszeitfahren

(rsn) - Egan Bernal (Ineos Grenadiers) hat sich am Schlusstag des 104. Giro d`Italia sein Rosa Trikot nicht mehr abnehmen lassen und sich zum ersten Mal in seiner Karriere den Gesamtsieg der Italien-

30.05.2021Die Renneinsätze der deutschsprachigen Fahrer

(rsn) - Die Radsportsaison 2021 ist trotz der Corona-Pandemie in vollem Gang. Wir liefern Ihnen zu Beginn jeder Woche eine Aufstellung über die Einsätze der Profis aus Deutschland, Österreich, der

30.05.2021Bernal: “Nur mein Name auf der Giro-Trophäe zählt“

(rsn) – Erstmals ging Egan Bernal (Ineos Grenadiers) als Leader in die Schlusswoche einer der drei großen Landesrundfahrten. Nach 20 der 21 Etappen des Giro d’Italia hat er mit 1:59 Minuten auf d

30.05.2021Caruso war für Bardet Hilfe und Problem zugleich

(rsn) – Falls im abschließenden Zeitfahren keine Sensation passiert, wird das deutsche Team DSM den 104. Giro d’Italia ohne Tageserfolg verlassen. Nach einer schwierigen ersten Woche präsentier

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

02.05.2024Vollering hängt an erster Bergankunft die Konkurrenz ab

(rsn) – An der ersten Bergankunft der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) ihre Konkurrentinnen in Grund und Boden gefahren und mit ihrem ersten Saisonsieg auch das Rote Trik

02.05.2024Im dritten Anlauf klappt es für Bike Aid mit dem Gelben Trikot

(rsn) – Im dritten Anlauf hat es für Yoel Habteab (Bike Aid) mit dem Gelben Trikot bei der Tour du Bénin geklappt. Nachdem ihm die Jury an den ersten beiden Tagen das Führungstrikot jeweils nach

02.05.2024Buchmann zur Giro-Ausbootung: “Komische Begründung“

(rsn) - Bis Ende des Jahres steht Emanuel Buchmann noch bei Bora – hansgrohe unter Vertrag. Ob er verlängert wird, scheint zumindest in diesem Moment nicht sicher. Mit großer Verärgerung tritt de

02.05.2024Arkéa - B&B Hotels verlängert vorzeitig mit Costiou

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

02.05.2024Pogacar thront bei seiner Premiere über allen

(rsn) – Auf dem Papier scheint der 107. Giro d’Italia schon entschieden, noch bevor am Samstag in Venaria Reale nördlich von Turin der Startschuss fällt. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) ist de

02.05.2024Zu Ehren des Sponsors: Intermarché in speziellem Giro-Trikot

(rsn) – Im dritten Jahr in Folge wird Intermarché - Wanty nicht in seinem Standard-Outfit zum Giro d´Italia antreten. Bei der am 4. Mai beginnenden 107. Ausgabe der Italien-Rundfahrt will das belg

02.05.2024Krieger und Mayrhofer sollen Dainese zum Hattrick pilotieren

(rsn) – Das Team Tudor startet am Samstag in seine erste Grand Tour. Zum 107. Giro d’Italia (4. – 26. Mai) tritt der Schweizer Zweitdivisionär aber mit einem relativ erfahrenen Aufgebot an. Nu

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Ãœberblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine