Was macht eigentlich...Jörg Ludewig?

Repräsentant, Bikeguide, Märchenonkel

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Jörg Ludewig Foto: Jörg Ludewig

18.03.2010  |  (rsn) - In der neuen Serie "Was macht eigentlich...?" befragt Radsport News Ex-Profis über ihr Leben nach der Radsportkarriere. Im zweitem Teil steht der ehemalige Saeco- und T-Mobile-Profi Jörg Ludewig Rede und Antwort.

Sie haben Ende 2007 Ihre Profikarriere beendet. Was haben Sie seitdem getan?

Ludewig (lacht): 13 Kilo zugenommen. Ich hatte großes Glück, bin nach meinem Karriereende über die „Buddyschiene“ an meinen Traumjob bei Carbonsports gelangt, in dem ich so allmählich Fuß gefasst habe. Ich habe vernünftig abtrainiert, hege aber keinerlei Wettkampfgedanken mehr. Ich betreue seit zwei Jahren einige „Jedermänner“ vom Team Alpecin und kann so auch meine Erfahrung weitergeben.

Haben Sie in den letzten beiden Jahren an ein Comeback gedacht?

Ludewig: Ich habe an vieles gedacht, aber daran sicher nicht. Ich war und bin satt, vermisse den Profisport kaum, fühle mich angekommen im Leben und habe zum Glück neue Prioritäten, die es auch nicht wirklich zulassen, mehr als drei Stunden in der Woche zu radeln, wenn überhaupt. Nichts desto trotz macht es mir nach wie vor Spaß, auf Highend-Material zu fahren, mit Freunden eine Runde zu drehen, das Team Milram und das Team Alpecin zu betreuen, keine Frage.

Welchen Moment Ihrer Profikarriere werden Sie immer in Erinnerung behalten?

Ludewig: Da gab es viele, - gute wie auch schlechte. Insgesamt hat mich der Profisport doch auch recht ordentlich auf das Berufsleben vorbereitet. Man lernt viele Sprachen, muss sich unterordnen, Teamwork ist gefragt. Auch dieses unschlagbare Netzwerk der Vergangenheit hilft mir sehr, da ich ja quasi nur die Seiten gewechselt habe. Die drei Tour de France-Teilnahmen haben mir, denke ich, am meisten gegeben und auch abverlangt. Das gibt einem auch eine gewisse Härte für den Alltag „danach“, obgleich es ein völlig neues Anforderungsprofil zu bedienen gilt.

Wie oft sitzen Sie derzeit selbst auf dem Rad?

Ludewig: Ab und an, möglichst nur bei gutem Wetter – oder bei sogenannten „Testcentern“, wo ich den Kunden die Möglichkeit gebe, unser Material „live zu erfahren“ - da bin ich dann als „Märchenonkel Lude“, Bikeguide und Carbonsports-Repräsentant gewissermaßen in Dreifach-Funktion vor Ort. Ich komme, denke ich, auf 3500- 5000 Jahreskilometer. Toll ist, dass ich noch des Öfteren angefragt werde, zu Bike Events eingeladen bin oder mit den Teammitgliedern auf Achse bin. So komme ich „mit Sonne in den Speichen“ des Öfteren auch in den Sattel, mehr zumindest, als andere Vertriebsjungs in meiner Peripherie.

Sie sind bei Carbonsports beschäftigt. Können Sie Ihre Tätigkeit näher beschreiben?

Ludewig: Tja, das ist gar nicht so einfach.... Wir sind ein kleines, aber feines Team. Wir sorgen dafür, das sehr hochwertige Vollcarbon-Rennradlaufräder - Lightweights - aus 23 Stunden deutscher Handarbeit dahin gelangen, wo Nachfrage besteht, aktuell auch recht erfolgreich. Ich kümmere mich mit meinen Kollegen und einem coolen, sozial kompetenten Boss um den Vertrieb, stecke meine Nase aber auch gern ins Produktmanagement oder andere Bereiche, wo ich nichts zu suchen habe. Durch den Background und das Netzwerk kommt meine Erfahrung da manchmal aber auch positiv zur Erscheinung (lacht). Unterm Strich ein Traumjob in familiärer Atmosphäre, der mir einiges abverlangt, aber auch sehr viel Zufriedenheit und Spaß bringt! Ich trenne da, manchmal auch sehr zu Lasten meiner Freundin, kaum zwischen Beruf und Freizeit, bearbeite auch an recht unorthodoxen Zeiten meine Mails. Das sind noch Rudimente aus Profitagen, wo es auch keine Wochenenden oder Feiertage gab.

Zu welcher Zeit  war der Stress größer - während Ihrer Profikarriere oder jetzt?

Ludewig: Ich muss sagen, dass ich niemals gedacht hätte, wie stressig und anspruchsvoll ein „normaler Alltag“ sein kann. Ich kann allen Radprofis, die aktuell noch mit Spaß bei der Sache sind, nur nahe legen: Genießt es!!! Man hat plötzlich eine unglaubliche Verantwortung! Verkaufe ich schlecht, drehen die Jungs in der Produktion mir den Hals um!

Wie können Sie bei Ihrem neuen Arbeitsgeber Ihre langjährige Erfahrung als Profi einbringen?

Ludewig: Ich denke, dass ich alle wichtigen Rennen schon selbst gefahren bin, von daher auch Anforderungen an die Athleten gut einzuschätzen vermag und diese Infos in die Entwicklung der Produkte einfließen lasse. Ferner komme ich über die alten Kontakte an Märkte heran, die ansonsten mühsam hätten eruiert und freigelegt werden müssen. Da ist manches wirklich einfacher. Unterm Strich komme ich sowohl mit den aktuellen Stars der Szene wie auch mit Händlern und Importeuren sehr gut aus, Stress gibt’s nur bei Lieferzeiten und Preisen. 

Wie nahe sind Sie denn noch an der Profiszene dran?

Ludewig: Ich lese jeden Tag eben die News hier bei Euch, habe durch die Betreuung des von uns gesponserten Teams Milram natürlich noch viel direkten Kontakt zu den Kollegen von früher. Ferner sind auch einige - im Profisport recht selten - Freundschaften von Bestand. Damit war nicht so ohne Weiteres zu rechnen, freut mich aber umso mehr.

Ihre Karriere bei T-Mobile war schnell beendet, nachdem bekannt geworden war, dass Sie sich vor Jahren per Fax nach Dopingmitteln erkundigt haben. Hängt Ihnen das heute noch nach, sprechen Sie die Leute darauf an?

Ludewig: Ich habe mich zu diesem Thema bereitwillig geäußert. Man kennt die Begleitumstände, auch das Politikum der Veröffentlichung zu genau dem Zeitpunkt. Das vermaledeite Uralt-Schriftstück war im Prinzip nach Veröffentlichung, also zwei Tage später, durch. Ich habe inzwischen einen geilen Job, eine richtig coole Partnerin und sitze aktuell mit Kunden bis zu drei Stunden in der zypriotischen Sonne auf dem Radel, ohne belgischen Regen, ohne Diätwahn oder Leistungsdruck und diesen perversen Nackenschmerzen, verkaufe immens viel von diesem Highend Plastik (lacht). Vielleicht war dieses Fax auch "gar nicht so schlecht" - im Nachhinein. Ich versuche immer – auch aus allem Negativen - die positive Seite herauszuziehen. Das fällt mir gerade bei dieser Geschichte inzwischen gar nicht mehr so schwer. Nachdem im Sport allgemein, auch in Fußball oder Handball, richtig heftige Geschichten zu Tage getreten sind, interessiert das scheinbar kaum jemanden mehr. Wenn ich nicht selbst davon berichte, kommt das Thema quasi nie auf den Tisch. Die Leute, die darüber lästern, haben die Gesellschaft noch immer nicht durchblickt und tangieren mich nur peripher. Everybodys darling is nobodys darling! - und das musste ich erst einmal lernen in meinem neuen Leben.

Als Profi ist man ja fast das ganze Jahr unterwegs. Haben Sie jetzt Zeit für neue Hobbies gefunden?

Ludewig: Ich habe eine tolle Partnerin an meiner Seite, ferner einen verrückten Kater, „Heini“ - der macht immer so einen Alarm, das kostet Zeit und Nerven (lacht). Und lebe meine „Automacke“ ein bisschen aus That`s it. Ich betreue ja nicht „nur“ Deutschland, bin somit nach wie vor ziemlich unter Strom und oft on Tour, was mir auch zunehmend weniger Spaß bereitet, dieses aus dem Koffer leben. Ich bin eine ganze Spur ruhiger, „fetter“ und langweiliger geworden. Man wird eben älter (lacht)

Jörg Ludewig begann 1997 seine Karriere beim Team Bayer Worringen. Nach einem Jahr beim Team Gerolsteiner (1999) wechselte der heute 34-Jährige nach Italien und fuhr dort fünf Jahre für das Saeco-Team. Anschließend folgten einjährige Engagements bei Domina Vacanze und T-Mobile, ehe der Westfale 2007 seine letzte Saison im Wiesenhof-Trikot bestritt. Seine größten sportlichen Erfolge verbuchte der dreimalige Tour-Starter mit Etappensiegen bei der Bayern-Rundfahrt (2001) und der Tour of Quinghai Lake (2007), Platz vier bei der Hessen-Rundfahrt 2004 sowie einem zweiten Etappenrang bei Paris-Nizza und Platz drei beim GP Schwarzwald 2005.

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